Alternativmedizin: Wann sollte man hellhörig werden?
Wer heilt, hat recht. Das höre ich immer wieder. Ich kann jeden verstehen, der sich gegen seine Krankheiten ein Präparat wünscht, das ohne Nebenwirkungen sofort zu einer umfassenden Heilung fiihrt. Und das bitte möglichst preiswert, bequem und ohne Änderungen des Lebensstils.
Leider ist es nicht so einfach. Der Arzt Paracelsus erkannte schon im 15. Jahrhundert: Die Dosis macht das Gift. Keine Wirkung ohne Nebenwirkungen. Präparate ohne Nebenwirkungen haben in aller Regel auch keine erwünschten Wirkungen. An dieser Erkenntnis hat sich bis heute nichts geändert.
Es gibt unendlich viele "alternativmedizinische" Angebote, von Aderlass bis Zytoenergese. In meiner Apotheke habe ich Präparate der — so formuliert es das Arzneimittelgesetz — »besonderen Therapierichtungen«. Dazu gehört unter anderem die Homöopathie. Ob jemand diese Arzneimittel anwendet, kann und muss jeder für sich selbst entscheiden. Mir ist wichtig, dass sie wie andere Medikamente weiterhin ausschließlich über Apotheken vertrieben werden. Denn nur so habe ich die Möglichkeit, mit den Patientinnen und Patienten über ihren Präparatewunsch und die damit verbundene Eigendiagnose zu sprechen. Würde jemand zum Beispiel versuchen, seine Krebserkrankung ausschließlich mit Homöopathika zu behandeln, müsste ich aus pharmazeutischer Sicht dringend abraten.
Arzneimittel werden behördlich zugelassen oder registriert, unterliegen also strengen Regeln. Bei anderen Präparaten, wie Räucherwerk oder Nahrungsergänzungsmitteln, ist das nicht so. Bleiben Sie bei alternativmedizinischen Angeboten bitte kritisch! Was sich zu gut anhört, um wahr zu sein, ist oft schlicht Quacksalberei. Wenn zum Beispiel etvvas gegen Alzheimer, Ubergewicht und Haarausfall gleichzeitig wirken soll, sollten Sie skeptisch sein. Mein Vorschlag: Nutzen Sie das Beratungsangebot Ihrer Apotheke vor Ort, bevor Sie zur Alternativmedizin greifen.
(Autor: Dr. Hannes Müller, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes der Bundesapothekerkammer; erschienen in "Das Apotheken Magazin" Ausgabe 15. März 2024)