Arnold kandidiert für ZAEU-Vorsitz
Mathias Arnold hat sich für die Präsidentschaft des Zusammenschlusses der Apotheker in der Europäischen Union beworben. Hier lesen Sie das PZ-Interview, in dem der ABDA-Vize über seine Ziele spricht.
PZ: Wann haben Sie sich dafür entschieden, ein Amt auf EU-Ebene anzustreben?
Arnold: Bereits im Mai und zwar zusammen mit Alain Delgutte, der im Vorstand der nationalen französischen Apothekerkammer ist. Für die PGEU-Präsidentschaft können nur die neun Mitglieder des Exekutivkomitees kandidieren. Für das Amt kommen jene Länder infrage, die bereits seit zwei oder drei Jahren Teil des Gremiums sind. Nach dem dritten Jahr müssen sie turnusmäßig das Komitee verlassen. Deutschland ist im Jahr 2021 im dritten Jahr dabei und Frankreich im zweiten.
PZ: Eine Kandidatur für eine Doppelspitze also. Ist das üblich?
Arnold: Das ist sicher bereits vorgekommen. Dieses Mal war angesichts der Coronavirus-Krise der Hintergedanke, dass idealerweise die beiden starken Länder Deutschland und Frankreich eine Doppelspitze bilden könnten. Und weil Frankreich noch ein weiteres Jahr im Komitee ist, wäre ein hohes Maß an Kontinuität gewährleistet. Das bedeutet: Gewinnen wir die Wahl, würde Frankreich für das Jahr 2021 die Präsidentschaft übernehmen und Deutschland die Vizepräsidentschaft.
PZ: Wann fällt die Entscheidung?
Arnold: Die Wahl wäre normalerweise diesen Sommer gewesen. Da aufgrund der Krise aber keine Präsenzsitzungen stattfinden, hat die Generalversammlung beschlossen, die Wahl auf den 19. November 2020 zu verschieben. Die Bewerbungen mussten jedoch bereits bis Mitte Mai eingehen. Beworben haben sich nur Frankreich und Deutschland für eben diese Doppelspitzen-Konstellation. Wir hoffen daher sehr, im November die Mehrheit in Brüssel zu bekommen. Grundsätzlich streben Delgutte und ich einen sanften Übergang bei der Präsidentschaft an und arbeiten bereits eng mit dem derzeitigen portugiesischen Präsidenten Duarte Santos zusammen.
PZ: An welche Themen wollen Sie konkret anknüpfen und welche neuen Akzente wollen Sie setzen?
Arnold: Portugal hat sich sehr intensiv mit pharmazeutischen Dienstleistungen beschäftigt und eine Untersuchung über Nutzung und Bedingungen in Europa angestoßen. Das wollen wir natürlich weiterverfolgen. Ganz wesentlich werden uns aber auch die Lehren aus der Coronavirus-Krise beschäftigen. Basierend auf dem PGEU-Strategiepapier 2030 werden zudem die Themen Digitalisierung und Lieferengpässe eine wichtige Rolle spielen. Außerdem wollen wir uns dafür einsetzen, dass die Subsidiaritätsprinzipien weiter eingehalten werden. Trotz der Erleichterungen mit Blick auf den Austausch von Arzneimitteln während der Krise müssen wir aufpassen, dass es nicht zu einer Zentralisierung in diesem Bereich kommt, sondern dass die nationalen Regelungen der Gesundheitssysteme weiterhin Bestand haben.
PZ: Haben Sie ein gemeinsames Positionspapier mit Delgutte erarbeitet?
Arnold: Ja, zunächst als Grundlage für unsere Zusammenarbeit. Derzeit wird es immer weiter verfeinert, um es als Arbeitsprogramm auszubauen und dann zu veröffentlichen. Es geht natürlich darum, wie wir die Zukunft der öffentlichen Apotheke sicherstellen und die Kooperation der EU-Mitgliedstaaten voranbringen. Wir stehen diesbezüglich auch in enger Abstimmung mit dem derzeitigen PGEU-Präsidenten. Unter anderem deshalb, weil im nächsten Jahr etwa ein „Lessons learned“-Kongress zu den Erkenntnissen aus der Coronavirus-Pandemie geplant ist sowie eine Veranstaltung, die sich mit den Ergebnissen aus der Untersuchung zu den pharmazeutischen Dienstleitungen befasst.
PZ: Durch die Krise sind ja viele Forderungen der Apothekerschaft in den Fokus gerückt…
Arnold: Die Coronavirus-Krise wirkt wie ein Brennglas und stellt unsere Themen deutlicher heraus. Fragen rund um die Digitalisierung sowie den europäischen Datenraum sind nicht neu. Uns geht es etwa um die Chancen, die ein solcher Datenraum hinsichtlich der Arzneimitteltherapie bieten kann, aber gleichzeitig auch um den Datenschutz der Bürger. Was in der analogen Welt verboten ist, dem muss auch in der digitalen Welt ein Riegel vorgeschoben werden. Wir müssen also künftig sicherstellen, dass sich Plattformen im Internet an die Gesetze halten. Ein Schwerpunkt wird außerdem sein, wie sich pharmazeutische Dienstleistungen mit den neuen Technologien verknüpfen lassen. Und natürlich ist das Thema Impfen zentral. Politisch werden wir ein Auge darauf haben, wenn die EU-Kommission sich mit Impfstrategien beschäftigt.
PZ: In Frankreich dürfen Apotheker seit Oktober 2019 impfen. Können Sie schon jetzt etwas aus den dortigen Erfahrungen ableiten?
Arnold: Die Impfquoten haben sich in unserem Nachbarland deutlich erhöht. Noch viel interessanter ist allerdings: Kein Arzt hat seitdem weniger geimpft. Das Fazit ist also, Apotheken erreichen offenbar vulnerable Gesellschaftsschichten besser als eine Arztpraxis. Ich denke, das gilt auch für Deutschland.
PZ: Wie oft stehen die PGEU-Treffen in Brüssel an?
Arnold: Wir tauschen uns unter normalen Umständen einmal im Monat vor Ort aus. Derzeit laufen die Gespräche über Videokonferenzen. Kurze Abstimmungsrunden im digitalen Format haben sich zuletzt sogar sehr bewährt und werden sicher in Zukunft weiterhin stattfinden – sofern eine Vertrauensbasis geschaffen ist.
PZ: Für Deutschland fällt die EU-Ratspräsidentschaft ab 1. Juli 2020 in schwierige Zeiten. Die Apotheker wollen den Kampf gegen Lieferengpässe bei Arzneimitteln auf der Tagesordnung sehen.
Arnold: Die EU-Kommission hat erkannt, wie wichtig es ist, die Produktion an europäische Standorte zurückzuholen. Die Krise hat gezeigt, dass die Arzneimittelversorgung bei Produktionsausfällen, Export- oder Logistikproblemen anfällig ist. Wir müssen uns natürlich damit beschäftigen, wie in Zukunft ein europäischer Austausch etwa von Arzneimitteln und Schutzausrüstungen funktionieren kann, der fair und solidarisch ist.
PZ: Die Apotheker haben aufgrund ihres Einsatzes während der Pandemie aber nun eine gute Ausgangsposition, um sich auf EU-Ebene Gehör zu verschaffen, oder?
Arnold: Der Wert der Apotheke vor Ort für jedes Gesundheitssystem ist unter Coronavirus-Bedingungen definitiv in der Politik angekommen. Und ist nicht nur in den Nationalstaaten, sondern auch in der europäischen Politik anerkannt worden. Und gerade weil sich die alten Probleme der öffentlichen Apotheken in der Krise verschärft haben, kann es jetzt endlich um Lösungen gehen. Diskutiert wird sicher, wie eine gemeinsame Nutzung von Big- Data-Informationen funktionieren kann und welche Sonderregeln es dafür geben muss. Im Überschwang der Digitalisierung muss man nämlich aufpassen, nicht die regionalen Versorgungsstrukturen kaputt zu machen. Eins steht fest: Es wird viele Veränderungen geben und wir müssen diese im Sinne der Vor-Ort-Apotheken mitgestalten und sicherstellen, dass sie auch grenzübergreifend funktionieren.
PZ: Gesundheit ist für die EU-Ratspräsidentschaft ein bedeutenderes Thema geworden als ursprünglich angenommen. Wie schätzen Sie das ein?
Arnold: In allen europäischen Ländern ist Gesundheit Chefsache geworden. Und das spiegelt sich sehr gut im Programm der Ratspräsidentschaft wider. Insbesondere ist der gleichberechtigte Zugang zu Arzneimitteln für alle EU-Bürger ein zentrales Thema. Wie kann der Apotheker künftig Lieferengpässe vermeiden, indem er beispielsweise leichter Präparate austauschen darf? Wie können wir uns in Engpass-Situationen europaweit solidarisch besser aushelfen? Da wir in gutem Kontakt zum Bundesgesundheitsministerium stehen, bin ich guter Dinge, dass wir unsere Fachexpertise als Apotheker einbringen und relevante Themen auf europäischer Ebene platzieren können. Außerdem können wir uns als Deutsche im Rahmen der Ratspräsidentschaft bei europäischen Projekten einbringen und uns zudem über die PGEU zu Wort melden. Die Konstellation für den Berufsstand könnte derzeit also kaum besser sein. Ich hoffe sehr, dass wir einige Erfolge erzielen werden.