Berufspolitische Diskussion beim pharmacon Schladming
Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer, Thomas Dittrich, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands und der Hauptgeschäftsführer der ABDA, Dr. Sebastian Schmitz, stellten sich auf dem pharmacon den Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Dr. Georg Engel, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands, und Ursula Funke, Vizepräsidentin der Bundesapothekerkammer. Die ABDA-Präsidentin hatte aus privaten Gründen kurzfristig absagen müssen.
In einem Einführungsvortrag referierte Schmitz kurz die aktuelle politische Lage. Die Apotheken hätten für ihr vielfältiges Engagement während der Pandemie viel Anerkennung erfahren. Bedauerlicherweise sei trotzdem die Honorierung – ab Februar 2023 für zwei Jahre befristet – gekürzt worden. Die kritisierte Schmitz deutlich. Für die kommenden Monate sind vielfältige Gesetze in der politischen Pipeline, die auch Apotheken betreffen werden. Ein aktuell virulentes Thema seien die Lieferengpässe, zu dem in Schladming bereits 2020 der 8-Punkte-Katalog der ABDA mit Forderungen diskutiert worden sei. Im "Eckpunktepapier zu Lieferengpässen“, das im Dezember 2022 bekannt wurde, hätte das Bundesgesundheitsministerium bereits einige dieser ABDA-Forderungen zumindest teilweise aufgegriffen. Schmitz stellte in Aussicht, dass die ABDA in ihrer politischen Arbeit in den nächsten Monaten Schwerpunkte auf die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation, den Bürokratieabbau und die Fortführung der Digitalisierung legen wird. Weitere wichtige Themen seien die Verbesserung der Versorgung bei Lieferengpässen und die Begleitung von Reformvorhaben wie Cannabis zu Genusszwecken und Gesundheitskioske.
In der Diskussion fasste Funke Fragen der pharmacon-Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur Novellierung der Approbationsordnung zusammen. Benkert erinnerte daran, dass die Positionen zur Apothekerausbildung durch verschiedene Apothekerorganisationen in einem Runden Tisch gemeinsam erarbeitet worden waren. Diese Positionen hätte Benkert dem Bundesgesundheitsminister bereits vorgestellt. Ein Runder Tisch mit allen an der Erstellung des Posititionspapiers Beteiligten sei beim Bundesgesundheitsministerium bereits vereinbart. Benkert bat alle pharmacon-Teilnehmer, junge Menschen an die Apothekenberufe zum Beispiel durch Schnupperpraktika heranzuführen und für die Apotheke zu begeistern.
Engel befragte Dittrich dazu, wie der DAV gezielt kleinere Apotheken stärken könne. Dittrich verwies auf das Perspektivpapier "Apotheke 2030“. Bei den Verhandlungen zur den pharmazeutischen Dienstleistungen hätte sich der DAV dafür stark gemacht, dass alle Apotheken – unabhängig von der Betriebsgröße – honorierte Dienstleistungen anbieten können.
Auch das Thema Notdienst und Notdienstbereitschaft wurde diskutiert. Benkert erinnerte an den Versorgungsauftrag der Apotheken und an den Nacht- und Notdienstfonds, durch den jeder Notdienst vergütet wird – unabhängig von der Nutzung durch Patientinnen und Patienten. Benkert motivierte alle Apothekerinnen und Apotheker, ihre vorhandenen Kontakte zu Politikern zu nutzen um für die Belastungen der Apotheken durch den Nacht- und Notdienst zu sensibilisieren.
Ein anonymer Teilnehmer äußerte den Wunsch, dass PTA kurzfristig die Apothekerin bzw. den Apotheker vertreten dürfen. Das lehnte Benkert entschieden ab. Dittrich appellierte an alle Apothekenteams, die etablierten Prozesse in der Apotheke auf den Prüfstand zu stellen und offen für neue Anforderungen und Angebote wie die pharmazeutische Dienstleistungen zu sein. Er sprach sich zudem für die Verstetigung der SARS-CoV-2-Ausnahmeregelungen aus.
Schmitz wandte sich gegen die Trivialisierung von Arzneimitteln bei diversen Spielarten der Plattformökonomie. Die Abgabe und Auslieferung von Arzneimitteln dürfe auch in Zukunft nicht gleichgesetzt werden mit der von Konsumgütern. Entsprechenden Vorstößen trete die ABDA vehement entgegen, auch mit rechtlichen Mitteln.
Auch die pharmazeutischen Dienstleistungen bewegten die pharmacon-Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dittrich benannte ein gemeinsames Medikationsmanagement von Apothekern und Ärzten wie im Projekt ARMIN als Goldstandard. In die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband wurden bewusst zunächst Dienstleistungen wie die Medikationsanalyse eingebracht, die Apotheken eigenständig erbringen können. Er motivierte alle Apothekenleiterinnen und -leiter, die vereinbarten pharmazeutischen Dienstleistungen umzusetzen und Patientinnen und Patienten anzubieten – allen Schwierigkeiten wie z.B. Personalmangel zum Trotz. Die Landesapothekerorganisationen würden dies bei ihren Mitgliedern rege bewerben. Laut Benkert unterstütze auch die Bundesapothekerkammer die Apotheken: Einerseits durch Fortbildungsangebote an die Apothekenteams, andererseits würde das Interesse der Patientinnen und Patienten durch die ABDA-Öffentlichkeitsarbeit geweckt.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren ein weiterer Schwerpunkt der berufspolitischen Veranstaltung. Dittrich kritisierte deutlich die Nullretaxationen wegen Formfehlern. Da diese in die Lieferverträge nach einem Schiedsverfahren aufgenommen worden wären, seien Verhandlungen dazu so gut wie aussichtslos. Dittrich setze sich in Gesprächen mit Politikerinnen und Politikern dafür ein, gesetzliche Regelungen gegen Nullretaxationen zu finden. Zudem erinnere er in so gut wie jedem Gespräch, dass der Wertschöpfungsanteil der Apotheken deutlich unter den Verwaltungsausgaben der Krankenkassen läge.
Schmitz erläuterte, dass die ABDA an einer Honorarerhöhung für Apotheken arbeite. Er kündigte für 2023 einen Forderungskatalog an, das neben der Erhöhung der Grundvergütung auch zusätzliche Komponenten zum Beispiel für das Management von Lieferengpässen enthalte. Dieses Konzept würde dann der Politik vorgestellt, ebenso wie Ideen zur Entbürokratisierung.
Ein Teilnehmer fragte nach, warum sich die ABDA-Öffentlichkeitsarbeit nicht ebenso lautstark wie die der Ärzteschaft äußere. Öffentlichkeitsarbeit könne grundsätzlich nie genug sein, bestätigte Schmitz. Die Apothekerschaft fände in der Politik ebenso wie in den Medien Gehör, etwa bei den Protestaktionen im Herbst 2022. Auch die ABDA-Präsidentin lege großen Wert auf eine starke Öffentlichkeitsarbeit der ABDA. Dittrich ergänzte, dass die Ansprache von Regional- und Landespolitikern auch für einzelne Apotheken möglich und aus Sicht des DAV wünschenswert sei. Eine bundesweite Protestaktion der Apotheken müsse mit Bedacht konzipiert und terminiert sein, damit sie nicht verpuffe.
Zum Abschluss fragte Engel nach dem Ausblick für das Jahr 2023. Schmitz erwarte eine Verbesserung der Situation der Apotheken und speziell die Abschaffung der Präqualifizierung. Dittrich nannte die Dynamisierung der Honorierung und die Minimierung der Lieferengpässe bzw. eine Vergütung des Aufwands, zusätzlich zur Verstetigung der SARS-CoV-2-Abgaberegeln. Benkert schloss die berufspolitische Veranstaltung. Ihm liegen besonders die Notfallversorgung und die Novellierung der Approbationsordnung am Herzen, verknüpft mit der Forderung nach mehr Studienplätzen. Ebenso wichtig sei die flächendeckende Etablierung der pharmazeutischen Dienstleistungen.