VOASG: ABDA-Präsident sieht Fortschritt
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt spricht im Interview mit der „PZ-online“ über das Apotheken-Stärkungsgesetz, das am 29.10.2020 vom Bundestag beschlossen wurde.
PZ: „2016 ist das umstrittene Urteil zu Rx-Boni am EuGH gefallen. Hinter den Apothekern liegen nun vier Jahr mit Diskussionen über eine politische Lösung für das Problem. Hat sich der lange Atem der Apotheker mit Blick auf das Ergebnis gelohnt?“
Schmidt: „Mich erleichtert sehr, dass wir mit der Verabschiedung des VOASG nun endlich die Hängepartie überwinden, die das Urteil mit sich gebracht hat. Für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) haben wir jetzt eine sichere Preisbindung im Rx-Bereich und damit für 90 Prozent des Marktes. Das halte ich für einen enormen Fortschritt im Vergleich zu der Situation, die bislang vorgeherrscht hat.“
PZ: „Mit der Privaten Krankenversicherung (PKV) bleiben allerdings 10 Prozent des Marktes mit Blick auf die Rx-Boni unreguliert. Wie werden Sie mi dieser Lücke umgehen?“
Schmidt: „Das ist wirklich mehr als ein Wehrmutstropfen. Ich hoffe, dass es zusammen mit den privaten Versicherern gelingen wird, auch für diesen Bereich eine Lösung zu finden. Auch die PKV hat keinerlei Interesse an einem Preiswettbewerb, das hatte sie zuletzt in ihrer Stellungnahme zum VOASG deutlich gemacht. Wir werden mit der PKV reden, auch wenn es noch keine konkreten Lösungsvorschläge gibt.“
PZ: „Kernelement des VOASG sind die pharmazeutischen Dienstleistungen, die Kassen und Apotheker nun aushandeln sollen. Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die Gespräche mit den Krankenkassen?“
Schmidt: „Die Verhandlungen mit den Kassen werden sehr schwierig werden. Der GKV-Spitzenverband hat mit Blick auf das VOASG zuletzt immer eine recht ignorante Haltung gezeigt. Es kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass die im Gesetz veranschlagten Mittel in pharmazeutische Dienstleistungen fließen sollen. Auch die Kassen müssen den Willen der Politik akzeptieren.“
PZ: „Welche konkreten Dienstleistungen werden Sie den Kassen vorschlagen?“
Schmidt: „Wir werden uns hier sehr deutlich am Arzneimittel orientieren und den Teil unserer Arbeit stärken, der mit dem Kerngeschäft der Apotheken in Verbindung stehen. Dazu gehört die Medikationsanalyse, die wir als honorierungsfähige Dienstleistung flächendeckend implementieren wollen. Eine wichtige Aufgabe ist zudem die Begleitung des Patienten bei der Anwendung des Medikationsplans oder im Umgang mit beratungsbedürftigen Arzneiformen. Im Kern soll es also darum gehen, durch intensivere Intervention am Beginn und auch im Verlauf der Arzneimitteltherapie Qualität und Sicherheit der Versorgung zu verbessern.“
PZ: „Mit 2,50 Euro pro Lieferung fällt das im VOASG verankerte Botendiensthonorar weit niedriger aus als von den Apothekern gewünscht. Können Sie sich vorstellen, dass dieses Thema perspektivisch in Honorarverhandlungen mit der Politik noch einmal eine Rolle spielen wird?“
Schmidt: „Die Kürzung der Vergütung von zunächst 5 Euro auf dann 2,50 Euro ist sicherlich eine Reaktion der Politik auf die absehbare finanzielle Misere der GKV. Das ist für uns schmerzlich und wir werden mit Blick auf den Betrag sicher immer wieder bei der Politik intervenieren. Trotzdem bin ich froh, dass wir diese Leistung im Gesetz haben. Der Botendienst ist ein Angebot, dass der Apotheker allein veranlasst, wenn er auf Basis einer pharmazeutisch-fachlichen Einschätzung zu dem Ergebnis kommt, dass sie im konkreten Fall erforderlich ist. Ich werte es als Vertrauensbeweis, dass man uns diese Entscheidung zutraut, die eine direkte Auswirkung auf die Mittel der Krankenkassen hat. In diese Richtung muss es auch bei den pharmazeutischen Dienstleistungen gehen: Die Veranlassung der konkreten Leistung gehört in die Hand des Apothekers.“
PZ: „Europarechtlich könnte das VOASG auch nach der Verabschiedung im Bundestag noch einmal in Bedrängnis gelangen. Selbst der Gesundheitsminister rechnet offenbar damit, dass der EuGH am Ende das letzte Wort in dieser Angelegenheit spricht. Sie haben sich zuletzt immer wieder überzeugt davon gezeigt, dass die Novelle vereinbar mit Europarecht ist. Woran machen sie ihren Optimismus fest?“
Schmidt: „Die mit dem VOASG eingeführte Regelung über das SGB V ist ein deutlich milderes Mittel der Preisbindung als die bislang im Arzneimittelgesetz verankerte Vorschrift. Der EuGH müsste bei einer Prüfung auf Verhältnismäßigkeit daher eigentlich zu einem positiven Urteil kommen. Unklar ist allerdings, ob die Versandapotheken überhaupt gegen das Gesetz vorgehen werden. Ich würde mir das anstelle der Versender gut überlegen. Angenommen der EuGH kippt das Gesetz und die flächendeckende Versorgung in Deutschland verschlechtert sich daraufhin, dann würde dem Gesetzgeber nur ein Mittel blieben, um dagegen vorzugehen – und das wäre das Rx-Versandverbot.“
(Das Interview ist am 30.10.2020 auf PZ-online erschienen)