Ohne Fremdbesitzverbot keine Unabhängigkeit

Zum Deutschen Apothekertag im Herbst 2023 kündigte Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach zunächst per Zeitungsbericht, dann auch per Livestream gegenüber den Delegierten des Apothekertages eine Apothekenreform an, die dem Rückgang der Apothekenzahl schnell und wirksam begegnen sollte. Kurz vor dem Jahresende 2023 folgte ein Eckpunktepapier, zur Jahresmitte 2024 dann auch ein Referentenentwurf. Das Warten auf den folgenden Kabinettsbeschluss sollte weitere Monate dauern.

Eine grundlegende Intention des Ministers wurde in jedem Fall schnell klar: Das Konzept einer Apotheke ohne Apothekerin oder Apotheker – also ohne persönliche Anwesenheit eines freien Heilberuflers – ist ein kalkulierter Tabubruch des Ministers, der nur in seinen Augen den Personalmangel beheben kann. Tatsächlich wären solche apothekerlosen Scheinapotheken ein Schritt in eine neue Versorgungsrealität, in der die unabhängige Beratung der Patientinnen und Patienten vor Ort eben nicht mehr möglich ist.

Zu den grundlegenden Ordnungsprinzipen im deutschen Apothekensektor, die im Apothekengesetz festgeschrieben sind, gehört nämlich das sogenannte Fremdbesitzverbot. Es besagt, dass der Betreiber oder die Betreiberin einer Apotheke nur ein Apotheker oder eine Apothekerin sein darf. Dieses seit 1960 bundesrechtlich verankerte Prinzip betont die persönliche Verantwortung und Haftung des frei- und heilberuflich tätigen Apothekers. Es entkoppelt somit die Arzneimittelversorgung von ausschließlich an Gewinnmaximierung orientierten Vorgaben Dritter, wie Kapitalgesellschaften. In seinem Urteil aus dem Jahr 2009 hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg bestätigt, dass das Fremdbesitzverbot in Deutschland ein zulässiges und wirksames Instrument des Verbraucherschutzes ist.

Mit dem Fremdbesitzverbot verbunden ist das Mehrbesitzverbot, das verhindert, dass beliebig viele Betriebe zu Ketten verschmelzen, in denen die unmittelbare persönliche Verantwortung des Inhabers oder der Inhaberin nicht mehr gegeben ist. Im Jahr 2004 wurde das Mehrbesitzverbot etwas gelockert - aber nur auf das Maximum von einer Hauptapotheke mit bis zu drei Filialapotheken, die in räumlicher Nähe zueinander liegen müssen. Dieses Verbot will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach weiter lockern, indem mit dem Apothekenreformgesetz zusätzliche Zweigapotheken und eine größere räumliche Entfernung zwischen den einzelnen Apotheken ermöglicht werden sollen. Aber auch diese Idee wirkt kontraproduktiv: Unabhängigkeit kann sich dann am besten entfalten, wenn der Kontakt von verantwortlichem Heilberufler und Patienten möglichst direkt und persönlich ist.

[Autor: Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV); erschienen: "der freie beruf", Ausgabe 3/2024]

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