DAPI-Publikation zum Gebrauch von Arzneimitteln während der COVID-19 Pandemie
Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut e.V. (DAPI) hat die Veränderung des ambulanten Arzneimittelverbrauchs vor, während und nach der ersten Welle der COVID-19 Pandemie im Jahr 2020 untersucht. Dazu wurden die Daten von fast 19.000 Apotheken herangezogen, die Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung in dem Zeitraum abgegeben haben. Im Mittelpunkt der Publikation mit dem Titel „Utilization of drugs with reports on potential efficacy or harm on COVID-19 before, during, and after the first pandemic wave“ standen Arzneimittel, über deren Nutzen oder Risiken widersprüchliche Informationen in Bezug auf eine COVID-19-Erkrankung vorlagen. Einige Arzneimittel wurden in Medien und sozialen Netzwerken als nützlich bei der Behandlung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 dargestellt. Ihr Einsatz fand vermutlich im „Off-Label-Use“ statt, d. h. die verwendeten Arzneimittel sind grundsätzlich zugelassen und damit arzneimittelrechtlich verkehrsfähig, werden aber nicht in der zugelassenen Indikation, Population und/oder Dosierung verwendet. Das DAPI stellte fest, dass zum Beispiel die Abgabe von Hydroxychloroquin in der Woche vom 16. bis 22. März 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 110 Prozent anstieg und dann bis zur Woche vom 13. bis 19. April leicht zurückging. Renin-Angiotensin-Aldosteron-Hemmer und Simvastatin/Atorvastatin legten in der Woche vom 16. bis 22. März 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 78 bzw. 74 Prozent zu, um dann wieder unter das Niveau von 2019 zu rutschen. Die Inanspruchnahme von Azithromycin und allen systemischen Antibiotika sank von März bis Juni kontinuierlich auf ein im Vergleich zu 2019 deutlich niedrigeres Niveau. Die Nachfrage bei Pneumokokken-Impfstoffen stieg in der Woche vom 9. bis 15. März 2020 zunächst um 373 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, dann kam es zu Lieferengpässen. Und Paracetamol verzeichnete im März 2020 zunächst einen Anstieg von 111 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, der hauptsächlich auf eine gestiegenen Nachfrage nach rezeptfreien Präparaten zurückzuführen war. Welche Schlüsse können daraus gezogen werden? Die Autoren Salka Enners (DAPI), Dr. Gabriele Gradl (DAPI), Marita Kieble (DAPI), Prof. Dr. Michael Böhm (Uniklinikum Saarland), Prof. Dr. Ulrich Laufs (Uniklinikum Leipzig) und Prof. Dr. Martin Schulz (DAPI/AMK) kommen zu dem Ergebnis, dass die die Verbreitung von Fehlinformationen und Spekulationen sowie Lieferengpässe das Verordnungs-, Nutzungs- und Kaufverhalten beeinflusst haben. Die Ergebnisse können und sollten in der postpandemischen Periode herangezogen werden, um unbegründete Verschreibungen und Off-Label-Use zu verhindern sowie Arzneimittellieferengpässen vorzubeugen. Der Artikel ist in der wissenschaftlich angesehenen Zeitschrift „Pharmacoepidemiology and Drug Safety" erschienen und unter „Links“ zu finden.