PZ 16/12 - Keine unkritische Anwendung von Fentanylpflastern
Information
AMK/ Durch eine Bekanntgabe im Deutschen Ärzteblatt warnt die AkdÄ vor dem unkritischen Gebrauch von Fentanylpflastern. Diese sind bei Erwachsenen für folgende Indikationen zugelassen: Chronische Schmerzen, die nur mit Opioidanalgetika ausreichend behandelt werden können und einer längeren, kontinuierlichen Behandlung bedürfen. Bei opioidnaiven Patienten wird empfohlen, zunächst niedrig dosierte unretardierte Opioide (zum Beispiel Morphin, Hydromorphon oder Oxycodon) einzusetzen, die Dosis langsam bis zu einer äquianalgetischen Dosis von 25 µg/h Fentanyl zu steigern und erst dann auf ein Pflaster umzustellen.
Seit dem Jahr 2000 steigen die Verordnungen stark wirksamer Opioide. Der Anstieg ist bei Fentanylpflastern besonders ausgeprägt: 2010 wurden mehr als 40 Prozent der stark wirksamen Opioide in Form von Fentanylpflastern verordnet.
Im deutschen Spontanmeldesystem liegen Berichte zu Überdosierungen durch Fentanylpflaster mit zum Teil schwerwiegenden Folgen vor. Darüber hinaus wurden unerwünschte Reaktionen gemeldet, die auf eine Überdosierung hindeuten könnten, wie Bewusstseinsstörungen, Somnolenz oder Atemdepression.
Das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin hat die Verordnungspraxis bei Fentanylpflastern untersucht. Anhand von Krankenkassendaten aus den Jahren 2004 bis 2006 wurden unter 14 Millionen Versicherten aus ganz Deutschland etwa 35 000 Patienten identifiziert, denen im Untersuchungszeitraum erstmals ein Fentanylpflaster verordnet wurde. 84,5 Prozent der Erstanwender hatten zuvor kein stark wirksames Opioid erhalten. Nur bei etwa einem Drittel dieser Erstanwender lag eine Tumorkrankheit vor. Fentanylpflaster werden nach dieser Studie somit oft als Analgetikum der ersten Wahl eingesetzt, obwohl andere Mittel eventuell besser geeignet wären. Der hohe Anteil von einmaligen Verordnungen spricht zudem dafür, dass sie – trotz Kontraindikation – auch bei akuten Schmerzen angewendet werden. Die zum Teil hohen Dosierungen, die bei opioidnaiven Patienten eingesetzt werden, gehen zudem mit einem erhöhten Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen einher. Die AkdÄ erinnert daher an folgende Empfehlungen:
• Stark wirksame Opioide sind indiziert (WHO-Stufe drei), wenn schwach wirkende Opioide allein oder in Kombination mit Nichtopioidanalgetika nicht ausreichend wirksam waren. Vor Anwendung eines Fentanylpflasters soll geprüft werden, ob ein stark wirksames Opioid oder eine andere analgetische Therapie indiziert ist.
• Fentanylpflaster eignen sich vor allem für Patienten mit chronischen Schmerzen und stabilem Opioidbedarf, die ein orales Opioid nicht einnehmen können, zum Beispiel bei einem Passagehindernis im Gastrointestinaltrakt oder bei therapieresistentem Erbrechen.
• Da Fentanyl hauptsächlich über das Cytochrom-P450-(CYP)3A4 metabolisiert wird, kann die gleichzeitige Anwendung von CYP3A4-Inhibitoren die Plasmaspiegel erhöhen und wird nicht empfohlen (zum Beispiel Ritonavir, Itraconazol, Fluconazol, Clarithromycin, Verapamil, Diltiazem, Amiodaron).
• Fentanylpflaster bilden ein Wirkstoffdepot in den oberen Hautschichten. Die Wirkung tritt erst mit einer Latenz von 12 bis 24 Stunden ein, daher ist die Anwendung bei akuten Schmerzen nicht sinnvoll.
• Empfehlungen zur Ersteinstellung opioidnaiver Patienten mit einem Fentanylpflaster findet man in der Fachinformation.
• Patienten sollen über Zeichen einer Überdosierung aufgeklärt werden: langsame oder flache Atmung, Müdigkeit, Schläfrigkeit, Schwierigkeiten beim Denken, Sprechen oder Laufen.
• Patienten mit Intoxikationen sollten mindestens 24 Stunden überwacht werden, da nach Abziehen des Pflasters noch mehrere Stunden Wirkstoff aus dem Depot freigesetzt wird.
• Wärmeeinwirkung (zum Beispiel Sonnenbestrahlung, Sauna, heißes Duschen) kann die Wirkstoffaufnahme verstärken und zur Überdosierung führen.
• Fentanylpflaster müssen sicher aufbewahrt und entsorgt werden, sie dürfen nicht in die Hände von Kindern gelangen.
Besonders die letzten beiden Punkte sollten den Patienten in der Apotheke vermittelt werden. Darauf hatte die AMK bereits 2010 aufmerksam gemacht („Überdosierung bei transdermaler Anwendung von Opioiden wie Fentanyl“, Pharm. Ztg. Nr. 30 vom 29. Juli 2010, Seite 102). Quelle:
AkdÄ: Die unkritische Anwendung von Fentanylpflastern erhöht das Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen (UAW-News International). Dtsch. Ärztebl. 109, (2012) A724-A725 (www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/Bekanntgaben/Archiv/2012/201204061.pdf)