Showdown in Luxemburg: BGH setzt Verfahren aus
Ein wichtiger Gerichtsprozess geht in die Verlängerung. Für heute war eigentlich die endgültige Klärung in Sachen Schadenersatz einer ausländischen Versand-Apotheke gegen die Apothekerkammer Nordrhein vom Bundesgerichtshof (BGH) erwartet worden. Wenig überraschend haben die Karlsruher Richter des I. Zivilsenats das Verfahren jedoch ausgesetzt und bitten nun das oberste rechtsprechende Organ der Europäischen Union, den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, um die Beantwortung drei zentraler Fragen zur Vorabentscheidung.
Der Streit um etwaige Schadenersatzansprüche einer ausländischen Versandapotheke ist damit noch immer nicht beigelegt. Die zu Grunde liegenden Zwistigkeiten sind mehr als zehn Jahre alt - auch wenn der Streit um die Zulässigkeit solcher und ähnlicher Werbeaktionen bis heute währt. 2012 wurde durch den nationalen Gesetzgeber bestätigt, dass sich auch ausländische Versand-Apotheken an die Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel halten müssen. Mit Gewinnspielen und Boni verstießen ausländische Versandapotheken dennoch gegen diese Vorgaben. Hiergegen ging die Apothekerkammer Nordrhein konsequent vor - und beantragte Einstweilige Verfügungen. Im Jahr 2016 stellte der EuGH fest, dass die Anwendung der deutschen Preisbindung auf Versandapotheken aus dem EU-Ausland gegen die Warenverkehrsfreiheit verstoße. Verluste in Höhe von 18 Mio. Euro machte daraufhin eine einzige ausländische Versand-Apotheke geltend und unterlag 2019 vor dem Landgericht Düsseldorf. Inzwischen ist das Verfahren in der Revision anhängig; das nun "in die Verlängerung geht". Die schriftliche Begründung der Entscheidung liegt noch nicht vor.
Bei den offenen Fragen, für die der I. Zivilsenat des BGH um Klärung bittet, geht es zunächst darum, ob das EU-Recht Vorgaben für die das gesamte Sortiment betreffende Werbung einer Apotheke für den Bezug rezeptpflichtiger Medikamente macht. Auch ist unklar, ob ausländischen Versandapotheken im Falle solcher Vorgaben durch das EU-Recht danach die Werbung mit Gutscheinen oder Rabatten für rezeptpflichtige Medikamente untersagt werden darf, wie es das deutsche Recht in weiten Teilen vorsieht.
"Seit der Entscheidung des EuGHs im Jahr 2016, in der die Geltung der deutschen Preisbindung für ausländische Versender bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln für europarechtswidrig erklärt worden war, ist viel Zeit vergangen", erklärt der Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, Dr. Armin Hoffmann. "Die jüngeren Entscheidungen aus Luxemburg lassen erahnen, dass der Schutz und die bestmögliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger in der EU für das Gericht von größter Bedeutung sind und den Gewinnerzielungsabsichten von Großkonzernen - die ganz anders arbeiten als die meisten Apotheken in der EU - vorgehen. Bedürfnisse der Wirtschaft müssen mit den Ansprüchen der Menschen in der EU für eine zuverlässige, flächendeckende und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung in Einklang stehen. Daher blicken wir zuversichtlich nach Luxemburg."
"Der freie Verkehr von Waren ist selbstverständlich eine wichtige Errungenschaft in der EU", ergänzt Dr. Bettina Mecking, Geschäftsführerin und Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, "Arzneimittel sind aber ganz besondere Waren. Der etablierten Versorgung durch wohnortnahe Apotheken kommt dabei daher auch eine besondere Bedeutung zu. Auf diese Besonderheiten hat der EuGH in seinen Urteilen immer wieder hingewiesen. Die Werbung der ausländischen Versender hatten und haben wir im Blick und gehen Verstößen konsequent nach. Unsere Argumente waren und sind stichhaltig - auch und gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Urteile des EuGHs. Wir vertrauen daher darauf, damit auch bei den Luxemburger Richtern Gehör zu finden."
(Quelle: Pressemitteilung Apothekerkammer Nordrhein, 13. Juli 2023)