Wählen gehen, um Gehör zu finden

Das Jahr 2024 ist ein Wahljahr. Zwar stehen – aller Voraussicht nach - keine Bundestagswahlen an, die kommen erst 2025. Aber mit der Europawahl am 9. Juni sowie den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im Herbst stehen auch für Regierung und Opposition in Berlin vier wichtige Stimmungstests an. Jeder Prozentzuwachs oder -abfall wird wahlweise als Denkzettel für die Ampel-Koalition, als Belohnung der Oppositionsarbeit oder gar gleich als tektonische Verschiebung gesellschaftspolitischer Normen und Werte gedeutet. Auch die Höhe der Wahlbeteiligung gilt gemeinhin als Seismograf für das Vertrauen der Menschen in die Politik.

Viele meiner Patientinnen und Patienten sind hinsichtlich demokratischer Wahlen von Kindesbeinen an so erzogen worden wie ich. Uns wurde richtigerweise beigebracht, dass das Wählen Bürgerpflicht ist. Damit könne man sich in die Politik einbringen, diejenige Partei unterstützen, deren Werte man teile. Als Frau wird mir dieses Privileg besonders bewusst, da Frauen in Deutschland erst seit kaum mehr als 100 Jahren wählen dürfen. Also: Hauptsache wählen gehen, lautet das Credo vieler Menschen. Es gibt aber auch Männer und Frauen in meiner Nachbarschaft, die sagen, dass das doch alles keinen Zweck mehr habe, weil „die da oben“ sowieso machen, was sie wollen. Diese Ansicht muss die Politikerinnen und Politiker beunruhigen. Menschen, die sich derartig von der Politik abgehängt fühlen, die sich gar nicht mehr gesehen fühlen, geben der aktuellen Politik mit ihrem Nicht-zur-Wahl-gehen ein verheerend schlechtes Zeugnis.

Wie wichtig auch Wahlen auf regionaler oder kommunaler Ebene sind, haben die politischen Ergebnisse unseres Protestmonats im November gezeigt: Zwar weigert sich die Bundesregierung weiterhin, die Apotheken flächendeckend wirtschaftlich zu stabilisieren. Aber durch unsere Proteste in den Regionen haben wir nun eine bedeutende Rückendeckung aus den Bundesländern, die die Bundespolitik schlichtweg nicht länger ignorieren kann. Da sind beispielsweise Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, der sich auf Bundesebene für eine Stärkung der Apotheken vor Ort einsetzen will, und Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi, der sich für eine Anpassung der Honorierung ausspricht. Hinzu kommen mehrere Beratungen und Anträge in den Landtagen von Parteien aus allen politischen Lagern, in denen unsere Sorgen um die wohnortnahe Arzneimittelversorgung wie unsere Forderungen, diese zu sichern, aufgegriffen wurden.

In den kommenden Monaten wird es nun darum gehen, genau diese Politikerinnen und Politiker davon zu überzeugen, ihre Botschaften nach Berlin zu tragen, damit die Ampel-Koalition von ihren derzeitigen Apothekenplänen abrückt und die Arzneimittelversorgung über die Apotheken vor Ort endlich stabilisiert. Auch der Bundesrat wird bei der vom Bundesgesundheitsministerium angestrebten Apothekenreform ein wichtiges Wörtchen mitzureden haben. Und genau diese Vorgänge sollten uns allen zeigen: Es ist eben doch wichtig, wählen zu gehen, damit politische Botschaften gehört werden!

(Autorin: Gabriele Regina Overwieing (ABDA-Präsidentin); erschienen in "Das Apotheken Magazin", Ausgabe: 15.01.2024)