Covid-19: Die zweite Impfung nicht vergessen

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Infektionen ist gestiegen. Sie liegt nach Angaben des Robert Koch-Instituts jetzt bei 84,3. Am Vortag betrug der Wert 83,1, eine Woche zuvor 75,8. Impfen ist wichtig, findet der Präsident der Bundesapothekerkammer Thomas Benkert und erklärt in der "Neue Apotheken Illustrierte", warum wir hier nicht nachlassen dürfen.

NAI: Herr Benkert, warum ist es so wichtig, sich gegen das Covid-19 auslösende Coronavirus impfen zu lassen?

Benkert: Durch eine Impfung schützt man sich nicht nur selbst, sondern auch sein persönliches Umfeld. Wir brauchen unbedingt die sogenannte Herdenimmunität. Um sie zu erreichen, benötigt man eine Durchimpfungsrate von etwa 85 Prozent der Bevölkerung. Weil bestimmte Patientengruppen sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, ist es umso wichtiger, dass alle anderen es tun. Jeder einzelne trägt also eine Verantwortung auch gegenüber anderen Menschen in der Gesellschaft.

NAI: Warum erscheinen viele nicht zu den vereinbarten Impfterminen?

Benkert: Viele, die sich impfen lassen wollten, sind anfangs mehrgleisig gefahren. Sie haben sich im Impfzentrum angemeldet und später auch beim Hausarzt. Nachdem sie geimpft worden waren, haben sie wahrscheinlich vergessen, den anderen Termin abzusagen. Darüber hinaus spielt es auch eine Rolle, dass die Inzidenz in der wärmeren Jahreszeit relativ niedrig ist. Manch einer denkt sich vielleicht auch, dass die Pandemie im Griff ist und eine Impfung nicht mehr nötig wäre. Dies ist möglicherweise auch der Grund dafür, dass manch einer meint, auf die zweite Impfdosis verzichten zu können. Diese ist aber für den kompletten Impfschutz entscheidend – besonders gegen die hochansteckende Delta-Variante.

NAI: Kann auch die Angst vor Nebenwirkungen ein Grund sein?

Benkert: Das kann schon bei dem einen oder anderen eine Rolle spielen. Aber eigentlich handelt es sich bei den kurzzeitigen grippeähnlichen Symptomen, die viele nach der Impfung bemerken, um eine ganz normale und erwünschte Immunantwort des Körpers. Nur in wirklich ganz seltenen Fällen treten Nebenwirkungen auf. Das Risiko von ernsten gesundheitlichen Problemen für Nicht-Geimpfte ist jedoch bei einer Covid-Erkrankung erheblich höher. Und das gilt sowohl für junge als auch für ältere Menschen. Daher sollte die Sorge wegen möglicher Nebenwirkungen einen nicht von der Impfung abhalten.

NAI: Wie wirkt sich das allgegenwärtige Thema Covid-Impfung auf das Interesse an Impfungen gegen andere Erkrankungen aus?

Benkert: Meinem Eindruck nach interessieren sich gerade ältere Menschen mehr dafür als früher. Impfungen beispielsweise gegen Keuchhusten, Gürtelrose oder Pneumokokken werden verstärkt nachgefragt. Mit Grippe-Impfungen verhält es sich ähnlich. Das war schon im vergangenen Jahr zu bemerken, als noch kein Covid-Impfstoff verfügbar war.

NAI: Derzeit laufen regionale Modellprojekte zur Grippe-Impfung in Apotheken. Wird das künftig in ganz Deutschland Alltag werden?

Benkert: In Ländern, in denen in der Apotheke zusätzlich zu den Ärzten gegen Grippe geimpft wird, ist die Durchimpfungsrate erheblich gestiegen. Gerade jüngere Menschen, die nur selten zum Arzt gehen, erreicht man mit so einem Angebot besser, weil sie sich ohne Terminabsprache und Anfahrt quasi nebenbei in der Apotheke impfen lassen können. Wenn durch die Beteiligung der Apotheken die Durchimpfungsrate steigt, kann das nur positiv für das Gesundheitssystem und unsere Gesellschaft sein. Die Apotheken stellen damit keine Konkurrenz zur Arztpraxis dar, sondern sie bieten einfach eine zusätzliche Möglichkeit für die Impfung.

(Das Interview ist in der "Neue Apotheken Illustrierte (Ausgabe 01.09.2021) erschienen. Bei aponet.de wurde das Gespräch im August 2021 freigeschaltet.)