Machen Sie den Blutdruck-TÜV!

"Ich komme gerade von meiner Ärztin und habe hier ein Rezept. Aber ich brauch nur das obere Medikament. Von dem anderen habe ich noch reichlich zuhause, das brauchen Sie mir nicht mitzugeben", sagte vor wenigen Tagen ein Patient zu mir. Ein stattlicher Mann um die 50 Jahre, leicht gerötete Haut im Gesicht – auf den ersten Blick ahnte ich, dass er Bluthochdruck hat. Das bestätigte auch das Rezept: Er bekam ein Schmerzmittel und darunter einen Blutdrucksenker verordnet. Den er aber offensichtlich nicht so oft einnahm, wie seine Ärztin das vorgesehen hatte. Dem wollte ich auf den Grund gehen. "Ich sehe, dass Sie einen Blutdrucksenker brauchen. Hätten Sie Zeit für einen kleinen TÜV für Ihr Herz? Das dauert nicht lange und ist kostenlos."

Seit etwa einem Jahr bieten viele Apotheken Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck eine pharmazeutische Dienstleistung an. Sie ist kostenlos für alle, die einen Blutdrucksenker verordnet bekommen. Die Dienstleistung besteht im Kern darin, dass das Apothekenteam die Blutdruckwerte dreimal hintereinander misst und dann den Mittelwert bildet aus der zweiten und dritten Messung. Dieser Wert wird mit Grenzwerten verglichen, die je nach Lebensalter unterschiedlich sind. Die Patienten bekommen zum Abschluss konkrete Handlungsempfehlungen, die sie als Ausdruck mit nach Hause nehmen können.

Die Dienstleistung dauert rund eine Viertelstunde – und diese Zeit nutzte ich für ein Gespräch. Er fasste schnell Vertrauen – vielleicht, weil wir etwa gleich alte Männer waren. "Ach, wissen Sie, die Blutdruckpillen machen mich so schlapp, das mag ich nicht. Aber meiner Frau ist wichtig, dass ich deshalb einmal im Quartal zur Ärztin gehe. Mache ich dann halt." Dass er seine Medikamente nicht wie vorgesehen einnehme, behalte er lieber für sich – weder seine Frau noch seine Ärztin wüssten das.

"Wenn Sie im Auto auf Dauer hochtourig fahren, schadet das dem Motor. Bei Ihrem Herzen ist es ähnlich – wenn es auf Dauer gegen zu hohen Druck ankämpfen muss, macht es irgendwann schlapp. Stellen Sie sich die Blutdrucksenker wie einen Motorschutz vor: Wenn Sie sie ab heute einnehmen, schützt Sie das in zehn, fünfzehn Jahren vor einem Herzinfarkt", erklärte ich ihm. "Die Nebenwirkungen, die Sie zu Beginn der Therapie noch spüren, werden in ein paar Wochen verschwinden. Dann hat sich der Körper daran gewöhnt."

Ich riet ihm, seine Tabletten jeden Tag einzunehmen, zum Beispiel morgens unmittelbar vor dem Zähneputzen. "Ich verspreche Ihnen: In ein paar Wochen wird die Schlappheit überwunden sein." Was er wirklich getan hat, weiß ich nicht. Aber zumindest notierte er sich etwas auf dem Ausdruck, den ich ihm mitgab.

(Autor: Dr. Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein;  erschienen auf prisma.de 12/2023)