Pop-Up-Apotheke bei Tönnies
Die Apotheken stellen die Vor-Ort-Versorgung mit Arzneimitteln rund um die Uhr sicher. Auf den Corona-Massenausbruch bei Tönnies wurde nun mit einer Pop-Up-Apotheke reagiert. Nach dem Corona-Ausbruch in dem Schlachtereibetrieb hat der Kreis Gütersloh rund 7.000 Menschen unter Quarantäne gestellt. Die Zahl der Corona-Infizierten ist am Montag nach amtlichen Angaben auf 1.331 gestiegen. „Bei so vielen Infizierten, die meist weder Deutsch noch Englisch sprechen und die extrem verunsichert sind, haben wir eine ungewöhnliche und pragmatische Lösung gewählt“, sagte die Gütersloher Apothekerin Claudia Scherrer, AKWL-Kreisvertrauensapothekerin und Sprecherin der Apotheker im Kreis Gütersloh. Im engen Austausch mit Kammer, Landkreis und Bezirksregierung hat sie fürs vergangene Wochenende kurzerhand dafür gesorgt, dass die Corona-Patienten des Fleischfabrikanten noch auf dem Tönnies-Firmengelände, wo sich eines der aktuell zwei Behandlungszentren im Kreis Gütersloh befindet, mit den dort verordneten Arzneimitteln versorgt werden. „Außergewöhnliche Situationen führen manchmal zu außergewöhnlichen Maßnahmen“, sagt Scherrer in einer Pressemitteilung, „und in dieser Situation war eine Pop-Up-Apotheke unter freiem Himmel mit nur fünf Arzneimitteln eine äußerst ungewöhnliche, aber in höchstem Maße realitätsnahe Lösung.“ Die Arzneimittelabgabe in der Pop-Up-Apotheke in Rheda-Wiedenbrück, wo Patienten mit Codein-haltigen Hustenmitteln, einem Hustenlöser (Ambroxol), einem Antibiotikum (Amoxicillin) und einem Schmerzmittel (Ibuprofen und Paracetamol) ausgestattet wurden, machten neben Claudia Scherrer (Nord-Apotheke Gütersloh) auch Susanne Gehring (stellvertretende Kreisvertrauensapothekerin, Bahnhof-Apotheke Gütersloh) und Dr. Olaf Elsner (Vorstandsmitglied des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, Storchen-Apotheke Gütersloh). Zunächst nur mit Atemschutz, später dann mit Vollschutzausrüstung standen die Apotheker bei knapp 30 Grad Celsius unter freiem Himmel und gaben die Arzneimittel ab. „Die Beratung erfolgte mit Unterstützung der Dolmetscher, welche aus dem Deutschen ins Rumänische und Bulgarische übersetzten“, so Scherrer. „Das war eine enorme Hilfe.“ Nach der Hauruck-Aktion am vergangenen Wochenende ist Scherrer froh, diesen pragmatischen Weg gewählt und auch bei den zuständigen Behörden durchgesetzt zu haben: „Normalerweise widerspricht die Abgabe von Arzneimitteln außerhalb einer Apotheke ungefähr jeder gesetzlichen Grundlage. Aber gerade die Sprachbarriere und der Infektionsschutz der Bevölkerung im Kreis und darüber hinaus ließen keine andere Lösung zu.“ Heute ist Apothekerin Scherrer noch vor Ort im Behandlungszentrum, ab Dienstag soll die Versorgung ortsweise im Kreis Gütersloh dezentral über einen Botendienst organisiert werden. „Dann werden die Rezepte aus der Praxis an eine Apotheke am Wohnort des Patienten gemailt, die Originale später nachgereicht.“ Das wäre in Nicht-Corona-Zeiten eine illegale Zuweisung von Rezepten. „Aber manchmal muss man pragmatisch agieren.“ Wobei Scherrer betont, dass all das mit den Behörden zwar auf dem kurzen, aber immer noch auf dem Dienstweg abgesprochen ist. „Es geht nicht um Guerilla-Aktionen oder ums Geldverdienen, sondern um die schnelle Versorgung der Patienten. Und wer kann das besser und schneller als die Apotheke vor Ort? Der Versandhandel auf jeden Fall nicht!“