Was tun, wenn der Fiebersaft ausverkauft ist?

"Ich brauche den Fiebersaft für meine Tochter aber unbedingt", sagte vergangene Woche eine junge Mutter in meiner Apotheke. Sie kam direkt aus der Kinderarztpraxis mit einem Rezept für einen Fiebersaft mit Paracetamol. Ihre zweijährige Tochter weinte im Kinderwagen, die 32-Jährige wollte verständlicherweise schnelle Hilfe.

Als Stammkundin wusste sie, dass wir die Rezepte der Kinderärztin in aller Regel sofort beliefern können. Diesmal war es leider anders, denn es gibt bundesweit Lieferengpässe bei Fiebersäften mit Paracetamol. Die Ursache für diese Lieferengpässe liegt nicht bei den Apotheken. Vor einigen Monaten hat die Firma, die Fiebersäfte jahrelang herstellte, die Produktion komplett eingestellt. Im Keller meiner Apotheke hatten wir vorsorglich große Mengen eingelagert, aber diese Reserven waren inzwischen aufgebraucht.
Ein zweijähriges Kind kann noch keine Tabletten schlucken, es braucht flüssige Medikamente oder Zäpfchen. "Bitte versuchen Sie auf keinen Fall, Tabletten für Erwachsene in Wasser aufzulösen und ihre Tochter das trinken zu lassen", erklärte ich ihr. "Das kann lebensgefährlich sein." Paracetamol kann die Leber schädigen, deshalb muss die Dosis genau auf das Alter und das Körpergewicht des Kindes abgestimmt sein.

Aus pharmazeutischer Sicht gibt es verschiedene Möglichkeiten, mit dem Mangel an Fiebersäften umzugehen. "Zunächst einmal können Sie versuchen, das Fieber mit Hausmitteln wie Wadenwickeln zu senken. Fieber ist eine natürliche Reaktion des Körpers und vergeht meist von allein wieder. Behandelt werden sollte es nur, wenn es höher als 39 Grad steigt", riet ich ihr. Die zweite Möglichkeit wäre, auf Zäpfchen auszuweichen – das lehnte die Mutter jedoch ab. Die dritte Option: Die Kinderärztin kann ein Rezept ausstellen für ein Rezepturarzneimittel, das wir in der der Apotheke aus den Grundstoffen des Fiebersafts herstellen. Die Rezepturherstellung ist sehr aufwendig und zeitintensiv. Aber wir Apotheker haben die Expertise und sind lösungsorientiert, deshalb leisten wir das für unsere Patienten. Nur wenn ein ärztliches Rezept vorliegt, übernimmt die Krankenkasse diese Kosten.

Die Mutter ging zurück in die Praxis und kam kurz darauf mit einem Rezept der Kinderärztin zurück – und wir hatten zum Glück alle Grundsubstanzen vorrätig. So schafften wir es, die Tochter noch am gleichen Abend mit einem Fiebersaft zu versorgen. Dieses Beispiel zeigt: Apotheker tun alles dafür, ihre Patienten vor Ort bei einem Lieferengpass zu versorgen.

(Gabriele Regina Overwiening. "Was tun, wenn der Fiebersaft ausverkauft ist?" prisma.de, 02.11.2020)