AMK-Infos im 1. Halbjahr 2009

Arzneimittelbehörden

Das BfArM ordnete zum 1. Juni 2009 Warnhinweise zum erhöhten Risiko für suizidales Verhalten bei jungen Erwachsenen für Antidepressiva an (Amitriptylin, Clomipramin, Dosulepin, Doxepin, Imipramin, Lofepramin, Nortriptylin, Trimipramin, Mianserin, Trazodon, Tranylcypromin, Moclobemid, Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin, Duloxetin, Flupentixol, Mirtazapin, Reboxetin, Tryptophan, Venlafaxin, Bupropion, Maprotilin). Zwischen den Antidepressiva gibt es hier offenbar keine relevanten Unterschiede. Es wurde aber ein Zusammenhang mit dem Alter der Patienten ermittelt: Bei den bis zu 25-Jährigen besteht ein erhöhtes Risiko für Suizidgedanken oder selbstschädigendes Verhalten. Bei Patienten über 30 Jahren überwiegt der protektive, antisuizidale Effekt. Junge Erwachsene, die Antidepressiva einnehmen, sollen daher engmaschig überwacht werden. Die betroffenen Hersteller hatten Gelegenheit, Widerspruch gegen den Bescheid des BfArM einzulegen. Moxifloxacin (Avalox®) soll einer Entscheidung der Europäischen Kommission zufolge bei akuter bakterieller Sinusitis, akuter Exazerbation der chronischen Bronchitis sowie ambulant erworbener Lungenentzündung nur noch dann angewandt werden, wenn andere Antibiotika, die für die initiale Behandlung dieser Infektionen üblicherweise empfohlen werden, für ungeeignet gehalten werden. Schwere Nebenwirkungen wie Hepatotoxizität, pseudomembranöse Kolitis, Suizidalität, Herzrhythmusstörungen inklusive QT-Zeit-Verlängerung, Rhabdomyolyse und Verschlimmerung einer Myasthenia gravis hatten eine Neubewertung des Nutzen/Scha-den-Verhältnisses erfordert. Zu den entsprechenden Änderungen der Produktinformationen versandte die Bayer Vital GmbH einen Rote-Hand-Brief. Norfloxacin-haltige Arzneimittel (z. B. Barazan®) sollen einer Entscheidung der Europäischen Kommission zufolge nicht mehr bei akuter und chronischer komplizierter Pyelonephritis eingesetzt werden. Auch zu dieser Änderung wurde ein Rote-Hand-Brief versendet. Auf Verpackungen und in Packungsbeilagen Oxycodon-haltiger Arzneimittel soll vor der gleichzeitigen Einnahme mit alkoholhaltigen Getränken gewarnt werden, um die Gefahr von unfreiwilligen Überdosierungen zu verringern. Alkohol kann die Freisetzung aus der retardierten Arzneiform beschleunigen und dadurch schwere Nebenwirkungen von Oxycodon wie Schläfrigkeit, Benommenheit und Atemdepression verstärken. Das BfArM forderte die betroffenen Hersteller auf, dies so schnell wie möglich umzusetzen. Das BfArM beabsichtigt den Widerruf der Zulassungen Magnesium-haltiger Arzneimittel zur parenteralen Anwendung bei Abortneigung, Frühgeburtsbestrebungen und fetaler Hypotrophie wegen schwerer unerwünschter Wirkungen wie Herzrhythmusstörungen und Atemdepression. Die betroffenen Hersteller hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das BfArM ordnete zum 1. September 2009 die Aufnahme von Warnhinweisen zum Risiko von Leberschäden in die Produktinformationen Cimicifuga-haltiger Arzneimittel an. Dies gilt auch für homöopathische Zubereitungen mit einer Endkonzentration bis einschließlich D2. Die betroffenen Hersteller können Widerspruch gegen den Bescheid einlegen. Die Patienten sollen die Einnahme sofort beenden, wenn Zeichen einer Leberschädigung auftreten (Ikterus, dunkler Urin, Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit, Appetitverlust, Müdigkeit). In den Produktinformationen von Imipenem-haltigen Arzneimitteln (Zienam®) soll nach Auffassung des BfArM künftig vor jeglicher Lagerung gebrauchsfertiger Lösungen gewarnt werden. Glucose- und Mannitol-haltige Arzneimittellösungen sollen nicht mehr als geeignet zur Zubereitung aufgeführt werden, denn Mannitol und Glucose können den Abbau von Imipenem beschleunigen. Dabei entstehen Verunreinigungen in erheblichen Mengen. Imipenem muss in isotonischer Natriumchloridlösung gelöst werden. Der betroffene Hersteller hat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Rote-Hand-Briefe

Die Firma Wyeth Pharma GmbH informierte über Änderungen der Produktinformationen von Torisel® (Temsirolimus) zur Vermeidung von Überempfindlichkeitsreaktionen wie Hautrötung, Schmerzen im Brustkorb, Atemnot, Hypotonie, Atemstillstand, Bewusstlosigkeit, Überempfindlichkeit und Anaphylaxie. Prämedikation, Verdünnung und Anwendung sollen genau nach Produktinformation vorgenommen werden. Bei 25 Patienten traten nach der nicht zugelassenen, intravitrealen Anwendung der Charge B3002B028 von Avastin® (Bevacizumab, Roche Pharma AG) schwere Augenentzündungen auf. Die Charge erfüllte die für die zugelassene Anwendung festgelegten Spezifikationen. Ein kausaler Zusammenhang wurde nicht festgestellt. Zur intravitrealen Anwendung von Avastin® gibt es aus mehreren Ländern eine geringe Zahl von Spontanberichten. Diese Ereignisse standen nicht mit spezifischen Chargen in Verbindung. Avastin® enthält keine Konservierungsmittel und ist in sterile Durchstechflaschen zur einmaligen Anwendung in der Onkologie abgefüllt. Das Aufteilen des Inhalts auf mehrere Einzeldosen für die intraokulare Anwendung kann zur Kontamination führen. Die Anwendung in der Ophthalmologie wurde weltweit von keiner Gesundheits- oder Zulassungsbehörde genehmigt. Die Firma Schülke & Mayr GmbH machte darauf aufmerksam, dass das Wunddesinfektionsmittel Octenisept® (Octenidin, Phenoxyethanol) nicht unter Druck ins Gewebe eingebracht bzw. injiziert wird. Bei Wundkavitäten muss ein Abfluss jederzeit gewährleistet sein. Schwellungen und Gewebeschädigungen bis hin zur Nekrose können andernfalls die Folge sein. Die Firma Orion Pharma informierte über QT-Zeit-verlängernde Effekte des Antiestrogens Toremifen (Fareston®). Daraus ergeben sich Gegenanzeigen wie vorbestehende QT-Zeit-Verlängerung, Elektrolytstörungen, Bradykardie und Herzrhythmusstörungen in der Anamnese. Toremifen soll nicht gleichzeitig mit weiteren Medikamenten eingenommen werden, die das QT-Intervall verlängern. Falls während der Behandlung mit Fareston® Zeichen einer Herzrhythmusstörung auftreten, soll die Behandlung abgebrochen und ein EKG durchgeführt werden. Die Produktinformationen wurden in Abstimmung mit den zuständigen Arzneimittelbehörden entsprechend geändert. Die Firma Roche Pharma AG informierte im Mai 2009 über Magen-Darm-Perforationen im Zusammenhang mit der Anwendung von Erlotinib (Tarceva®). Außerdem wurde über bullöse und schuppende Hautreaktionen, einschließlich sehr seltener Fälle, die auf Stevens-Johnson-Syndrom oder toxische epidermale Nekrolyse hinweisen, sowie Hornhautperforationen oder Hornhautgeschwüren des Auges berichtet. Die Produktinformationen von Tarceva® wurden aktualisiert. Im Juni 2009 teilte die Firma Roche Pharma AG mit, dass auf Grund von Erythroblastopenien (Pure Red Cell Aplasia, PRCA) bei Patienten, die mit Mycophenolatmofetil (Cellcept®) in Kombination mit weiteren Immunsuppressiva behandelt wurden, neue Angaben in die Produktinformationen aufgenommen wurden. Bei Patienten, die eine PRCA entwickeln, soll eine Dosisreduktion oder ein Absetzen von Cellcept® in Betracht gezogen werden.

Ruhen der Zulassung

Die Firma Merck Serono GmbH teilte in einem Rote-Hand-Brief mit, dass die EMEA das Ruhen der Zulassung für Raptiva® (Efalizumab) empfohlen hat. Mehrere Fälle von progressiven multifokalen Leukoenzephalopathien wurden nach dreijähriger Therapie mit Raptiva® berichtet. Außerdem wird Raptiva® mit weiteren schweren Nebenwirkungen wie Guillain-Barré- und Miller-Fisher-Syndrom, Enzephalitis, Meningitis, Sepsis und Infektionen in Verbindung gebracht. Raptiva® soll daher nicht mehr verordnet werden; für Patienten, die Raptiva® zur Zeit anwenden, soll eine geeignete Alternative gesucht werden. Nach dem Absetzen von Raptiva® müssen die Patienten über 12 Wochen engmaschig auf neurologische Symptome und Infektionszeichen überwacht werden.

Arzneimittelverkehr

Verschreibungspflicht: Der Sachverständigen-Ausschusses für Verschreibungspflicht empfahl im Januar, Sumatriptan zur oralen Anwendung, in Packungsgrößen mit maximal 2 Tabletten Sumatriptan 50 mg, zur Behandlung von akuten Migräneanfällen mit und ohne Aura, bei Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren sowie Omeprazol zur Behandlung von Beschwerden wie Sodbrennen und saurem Aufstoßen, in einer Einzeldosis von 20 mg, in einer Tageshöchstdosis von 20 mg und in einer maximalen Packungsgröße von 280 mg aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Außerdem votierte er dafür, das Antihistaminikum Dimetinden zur parenteralen Anwendung der Verschreibungspflicht zu unterstellen. Außerdem erinnerten wir daran, dass zum 1. April 2009 Johanniskraut-haltige Arzneimittel zur Behandlung mittelschwerer Depressionen und Paracetamol zur oralen, symptomatischen Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen und/oder Fieber in einer Gesamtwirkstoffmenge von über 10 g je Packung sowie zur parenteralen Anwendung verschreibungspflichtig wurde. Betäubungsmittel: Zum 20. März 2009 wurden einige Vorschriften der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung geändert. Für die Apotheken waren folgende Punkte bedeutsam:

  • Die Verschreibungshöchstmenge von Fentanyl wird von 340 mg auf 500 mg heraufgesetzt,
  • In der Substitutionsbehandlung wird eine Zweitagesverordnung möglich, die mit dem Buchstaben 'Z' gekennzeichnet werden muss.

Sonstige Nachrichten

Unsere Empfehlungen an die Apotheken für die Chemikalienabgabe aktualisierten wir in der Pharmazeutischen Zeitung Nr. 4. Über die Risiken brennbarer Läusemittel mit Cyclomethicon, niedrigviskosem Dimeticon und Alkoholen als Lösungsmittel sowie solchen mit Treibgasen wie Butan, Propan etc. informierten wir in der Pharmazeutischen Zeitung Nr. 7 und in der Pharmazeutischen Zeitung Nr. 8. In den Packungsbeilagen wird jeweils vor der Nähe von offenem Feuer gewarnt. Zur Markteinführung desrezeptfreien Orlistat-haltigen Arzneimittels Alli® informierten wir über dessen bestimmungsgemäße, sichere Anwendung: Die Zulassung gilt für die Gewichtsreduktion bei Erwachsenen mit einem Body-Mass-Index von 28 kg/m2 oder mehr in Verbindung mit einer leicht hypokalorischen, fettreduzierten Nahrung. Eine 60-mg-Kapsel wird zum Frühstück, zum Mittag- und Abendessen eingenommen. Alli® darf nicht angewandt werden bei Personen unter 18 Jahren, in Schwangerschaft und Stillzeit, gleichzeitig mit Ciclosporin oder oralen Antikoagulantien, bei Cholestase sowie chronischer Malabsorption. Es darf nicht länger als 6 Monate eingenommen werden. Die Behandlung soll nach 12 Wochen beendet werden, wenn keine Gewichtsreduktion eingetreten ist. Über die missbräuchliche Verwendung ephedrin- und pseudoephedrinhaltiger Arzneimittel zur illegalen Herstellung von Metamfetamin informierten wie in der Pharmazeutischen Zeitung. Nr. 16. Die Apotheken werden gebeten, bei verdächtigen Nachfragen ihre zuständige Polizeidienststelle zu kontaktieren. Die Arzneimittel sollen nicht abgegeben werden, es sei denn, die Rücksprache mit der Polizei ergibt etwas anderes. Generell hat die Apotheke nach § 17 Absatz 8 der Apothekenbetriebsordnung bei begründetem Verdacht auf Missbrauch die Abgabe zu verweigern. Für Bayern und Sachsen wurden zwischen den Landesapothekerkammern und den Landeskriminalämtern gesonderte Vorgehensweisen abgesprochen. Den Apotheken in diesen Bundesländern wird empfohlen, sich an ihre Kammer zu wenden. Angesichts der Gefahr der weltweiten Ausbreitung der Influenza A/H1N1 (Schweinegrippe) wurde in der EU die Haltbarkeitsdauer von Tamiflu® Kapseln von fünf auf sieben Jahre verlängert, Tamiflu® für die Anwendung bei Kindern unter 1 Jahr unter besonderen Kautelen zur Postexpositionsprophylaxe und Behandlung der Influenza A/H1N1 zugelassen sowie Tamiflu® und Relenza® für die Anwendung bei schwangeren und stillenden Patientinnen zugelassen. Die geänderten Bedingungen gelten nur für den Pandemiefall, das heißt, wenn die WHO die pandemische Warnphase 6 ausgerufen hat, was mittlerweile eingetreten ist. Apotheken und Patienten sollen Packungen von Tamiflu® Kapseln, die das angegebene Haltbarkeitsdatum überschritten haben, nicht entsorgen sondern für weitere zwei Jahre bei Raumtemperatur aufbewahren. PZ 29/09