Armplexusneuritis nach Gardasil®
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) informiert in der aktuellen Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes (Nr. 44) sowie auf ihrer Website über eine Armplexusneuritis in Zusammenhang mit Gardasil® [1].
Gardasil® ist ein Impfstoff gegen Genitalinfektionen mit den Typen 6, 11, 16 und 18 des humanen Papillomvirus (HPV). Der Entwicklung von Zervixkarzinomen soll dadurch vorgebeugt werden. Die Ständige Impfkommission hat im Juli 2007 eine generelle Impfung aller Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren gegen HPV (Typen 16 und 18) empfohlen. Wirksamkeit, Sicherheit und Kosten-Nutzen-Profil des Impfstoffs werden weltweit kontrovers diskutiert.
Der AkdÄ wurde der Fall einer jungen Frau gemeldet, die acht Wochen nach der zweiten Injektion von Gardasil® ein Schweregefühl in den Extremitäten verspürte. Am nächsten Tag konnte sie den Arm nicht mehr anheben, das Greifen war erschwert, und es bestanden Taubheitsgefühle im rechten Unterarm, der Hand und der Schulter, aber keine Schmerzen. Schließlich wurde die Diagnose einer vorwiegend rechtsseitigen Neuritis des Plexus cervicobrachialis gestellt. Die Patientin wurde mit Prednisolon behandelt. Die neurologischen Symptome waren im weiteren Verlauf rückläufig, so dass die Patientin nach acht Tagen entlassen werden konnte.
Die idiopathische Armplexusneuritis beginnt typischerweise mit Schulterschmerzen, denen eine Armplexusparese mit motorischen und sensiblen Ausfällen folgt. Seltene Fälle von Armplexusneuritiden ohne Schmerzen sind beschrieben. In einer Untersuchung von 246 Fällen waren in mehr als 55 Prozent auch Nerven außerhalb des Armplexus betroffen, davon in etwa einem Drittel der Plexus lumbosacralis. Bei etwa der Hälfte der Patienten ließen sich vorhergehende Ereignisse identifizieren, davon am häufigsten Infektionen, aber in fünf Fällen auch Impfungen.
Für Neuritiden im Zusammenhang mit Impfungen werden als übliches Zeitfenster fünf bis 42 Tage angegeben. Im vorliegenden Fall ist das Intervall mit 47 Tagen relativ lang, jedoch noch im plausiblen Bereich. Ob ein Infekt in den Wochen vor Beginn der Neuritis durchgemacht wurde, ließ sich aber nicht eindeutig feststellen. Der Kausalzusammenhang zwischen der Impfung mit Gardasil® und der Armplexusneuritis wird in diesem Fall als "möglich" eingestuft. Auch wenn kein Pathomechanismus für eine Reaktion bekannt ist, reicht ein plausibler zeitlicher Zusammenhang zwischen Impfung und Reaktion definitionsgemäß für diese Einstufung aus.
Ein weiterer Fall einer Armplexusneuritis nach Impfung mit Gardasil® wurde kürzlich publiziert. In der Fachinformation von Gardasil® werden unter neurologischen Nebenwirkungen Schwindel, Kopfschmerzen, Synkopen und das Guillain-Barré-Syndrom aufgeführt, andere Neuritiden jedoch nicht genannt.
Zwischen Mai 2007 und September 2008 wurden der AkdÄ 158 Verdachtsfälle von Komplikationen in Zusammenhang mit Gardasil® berichtet. Davon wurden 45 als schwerwiegend eingestuft. In den UAW-Berichten zu Gardasil® werden zentrale und periphere neurologische Symptome häufiger als Symptome aus anderen Organbereichen genannt. Die am häufigsten geschilderten Symptome sind Kopfschmerz (33) und Schwindelgefühl (30), aber auch Schwäche (14), Ermüdung (13), Fieber (13) und Kreislaufsymptome wie Synkope (7) oder Kreislaufkollaps (12).
Bei der Impfung einer großen Bevölkerungsgruppe in relativ kurzer Zeit kommt es zwangsläufig zu Erkrankungen im zeitlichen Zusammenhang, ohne dass eine Kausalität bestehen muss.
Meldungen über unerwünschte Wirkungen senden Sie uns bitte per Berichtsbogen ein.
Literatur
[1] http://www.akdae.de/20/20/Archiv/2008/20081031.html
PZ 45/08