Hypoglykämien unter Gyrasehemmern
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft AkdÄ berichtet im Deutschen Ärzteblatt 103, Heft 31-32 vom 7. August 2006 über einen Fall von tödlich verlaufener Hypoglykämie unter Levofloxacin (Tavanic®)(Friedrich L.V., et al.: Fatal hypoglycemia associated with levofloxacin. Pharmacotherapy 24 (2004) 1807-1812): Ein 79-jähriger Patient mit Typ-2-Diabetes litt außerdem an koronarer Herzkrankheit, Hypertonie, Gicht und leichter Niereninsuffizienz nach Verlust einer Niere. Als er Fieber entwickelte, wurde eine Aspirationspneumonie vermutet und Levofloxacin (250 mg i.v.) gegeben. Der Patient wurde zunehmend somnolent. Sechs Stunden nach der Injektion wurde ein Blutzucker von 6,0 mg/dl (Normbereich 70-100 mg/dl) bestimmt. Der Patient erhielt Dextrose; Levofloxacin wurde abgesetzt. Der Zustand des Patienten verschlechterte sich kontinuierlich; er erlangte das Bewusstsein nicht wieder. Die anderen Medikamente, die der multimorbide Patient erhielt, sollen als Auslöser für diese fatale Hypoglykämie nicht in Frage kommen.
Fluorchinolone (Gyrasehemmer) sind gut wirksame Antibiotika mit einem sehr breiten Spektrum an teilweise erheblichen unerwünschten Wirkungen. Einige Gyrasehemmer mussten wegen schwerer Nebenwirkungen wieder vom Markt genommen werden. Hypoglykämien wurden zwar selten, aber nach allen Gyrasehemmern berichtet. Typischerweise treten sie in den ersten drei Tagen nach Therapiebeginn auf. Vor allem ältere Patienten mit Typ-2-Diabetes, besonders diejenigen, die Sulfonylharnstoffe einnehmen, scheinen gefährdet zu sein.
Gyrasehemmer wurden 2004 mit 28,4 Mio. Tagesdosen häufig verordnet, mit steigender Tendenz (+ 12,9 Prozent). Auf Ciprofloxacin entfielen 10,5 Mio., auf Moxifloxacin 5,9 Mio., auf Levofloxacin 4,8 Mio. und auf Ofloxacin 3,2 Mio. Tagesdosen. Im deutschen Spontanmeldesystem sind 847 Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen in Zusammenhang mit Levofloxacin erfasst. Im Vordergrund stehen mit zwei Dritteln Nebenwirkungen am Muskel- und Skelettsystem. Auch Störungen des Nervensystems (34 Prozent) und des Gastrointestinaltraktes (30 Prozent), generalisierte Störungen (30 Prozent) und Hautreaktionen (29 Prozent) werden häufig genannt. Eine Hypoglykämie wird nur in zwei Fällen aufgeführt. Für die gesamte Gruppe der Gyrasehemmer finden sich 17 Fälle einer Hypoglykämie sowie ein Fall eines hypoglykämischen Komas bei insgesamt 5256 Meldungen. Die AkdÄ hatte bereits auf mögliche Hypoglykämien unter dem zwischenzeitlich vom Markt genommenen Gatifloxacin hingewiesen. In der Fachinformation von Tavanic® werden Hypoglykämien, besonders bei Diabetikern, als sehr seltene Nebenwirkung aufgeführt. Es handelt sich zwar um eine leicht erkennbare und behandelbare Nebenwirkung; wenn sie aber wie im vorliegenden Fall nicht rechtzeitig erkannt wird, kann sie tödlich verlaufen.
PZ 33/06