Muskelzuckungen nach Einnahme von Statinen
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) weist am 1. Dezember 2006 auf den Fall einer 65-jährigen Patientin hin, bei der es nach Gabe von 20 mg Simvastatin zu Muskelzuckungen aller Extremitäten kam, die nach Absetzen abklangen, jedoch 6 Monate später durch 20 mg Atorvastatin erneut auslösbar waren. Danach verschwanden die Muskelzuckungen nach Absetzen nicht mehr völlig, sondern waren auch 12 Monate später unter Stressbedingungen reaktivierbar.
Als seltene bis sehr seltene Nebenwirkung werden bei Statinen in der Fachinformation periphere Polyneuropathien genannt, die sich meist an den unteren Extremitäten manifestieren, sich aber auch in anderer Form darstellen können, beispielsweise durch Taubheitsgefühle, brennende Missempfindungen oder Muskelschwäche. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den Muskelzuckungen vermutlich um eine beginnende Polyneuropathie. Ähnliche Fälle sind in der Literatur beschrieben worden. Ein Klasseneffekt der Statine ist in diesem Zusammenhang anzunehmen, der auf die Hemmung der Cholesterolsynthese und eine damit zusammenhängende gesteigerte Apoptose zurückzuführen sein könnte. Der Eintritt dieser unerwünschten Arzneimittelwirkung kann Tage aber auch erst Jahre nach Einnahmebeginn des Statins erfolgen. Nach Schätzungen wird bei 14 000 Patienten nach einem Jahr Einnahme eines Statins ein zusätzlicher Fall einer Polyneuropathie auftreten, wobei dies gegen den nachgewiesenen kardioprotektiven Nutzen der Statine abgewogen werden muss.
Bei 1355 Mio. definierten Tagesdosen (Stand: 2004) sind in der gemeinsam vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und AkdÄ betriebenen Datenbank insgesamt 6834 Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen nach Statinen erfasst. Hiervon betreffen 11 Meldungen (0,2 %) ?unwillkürliche Muskelkontraktionen?, 75 Meldungen (1,1 %) betreffen Parästhesien und 62 Meldungen (0,9 %) Neuropathien. Die AkdÄ weist besonders auf die Gefahr hin, dass bei statinbehandelten Diabetikern eine Polyneuropathie fälschlich von vornherein dem Diabetes zugeschrieben und deshalb das auslösende Statin nicht abgesetzt wird.
PZ 49/06