Perforierte Ulzerationen der Speiseröhre und Mediastinitis mit Todesfolge nach Sorafenib (Nexavar®)
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) berichtet in einer Drug Safety Mail vom 6. März 2009 über einen Patienten mit multifokalem Leberzellkarzinom, der nach erfolgloser Chemoembolisationstherapie eine palliative Therapie mit dem peroral wirksamen Multikinaseinhibitor Sorafenib (Nexavar®) erhielt. Schon kurz nach Beginn der Therapie schilderte der Patient eine Dysphagie. Nach vier Monaten hatte sie so stark zugenommen, dass keine orale Nahrungsaufnahme mehr möglich war. Endoskopisch zeigten sich ausgedehnte Ulzera im Ösophagus. Trotz antibiotischer Therapie verschlechterte sich der Zustand des Patienten in den folgenden Tagen rasch, und er verstarb unter dem Bild einer Mediastinitis. Sorafenib ist zugelassen zur Behandlung des inoperablen Leberzellkarzinoms und des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms, wenn eine vorherige Interferon-alpha- oder Interleukin-2-basierte Therapie versagt hat oder nicht möglich ist. Sorafenib hemmt die RAF-Kinase und blockiert so die Übertragung des Signals von Wachstumsfaktoren zur Zellteilung in den Zellkern. Außerdem inhibiert es mehrere weitere Tyrosinkinasen, darunter unter anderem die des VEGF-Signalweges, wodurch die Tumor-Gefäßversorgung beeinträchtigt wird. Die häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) von Sorafenib sind Durchfall, Haarausfall und das Hand-Fuß-Syndrom. In der Fachinformation werden gastrointestinale Perforationen unter den gelegentlichen UAW aufgeführt. Im deutschen Spontanmeldesystem sind 463 Verdachtsfälle von UAW nach Gabe von Sorafenib erfasst. In 128 Berichten werden gastrointestinale Symptome genannt, darunter neben Blutungen und Ulzerationen auch Perforationen des Kolons, Divertikel und Magengeschwüre. Ein denkbarer Pathomechanismus für gastrointestinale Perforationen unter Sorafenib ist die Hemmung der Signalweiterleitung am Rezeptor von VEGF oder anderer Wachstumsfaktoren, da diese angiogenen Faktoren bei der Regeneration und Gefäßneubildung von geschädigter Schleimhaut im Gastrointestinaltrakt eine wichtige Rolle spielen. Für den monoklonalen Antikörper Bevacizumab (Avastin®), der durch direkte Bindung an VEGF dessen Wirkung inhibiert, sind ebenfalls Magen-Darm-Perforationen als UAW beschrieben (siehe Pharm. Ztg. Nr. 5). Patienten sollen über das Risiko von Perforationen aufgeklärt und auf gastrointestinale Symptome aufmerksam gemacht werden. Treten abdominelle Beschwerden auf, ist eine sorgfältige Abklärung notwendig. Die weitere Behandlung mit Angiogenese-Inhibitoren soll in solchen Fällen sorgfältig mit dem zu erwartenden therapeutischen Effekt abgewogen werden. Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen senden Sie bitte per Berichtsbogen an uns ein. PZ 11/09