Risiko von venösen Thromboembolien unter Drospirenon-haltigen kombinierten oralen Kontrazeptiva

Die AkdÄ nimmt einen aktuellen Fall sowie neu publizierte Daten zum Anlass, das Risiko von thromboembolischen Ereignissen unter hormonaler Kontrazeption in einer „Drug Safety Mail“ darzustellen und Hinweise für die Verordnung zu geben. Eine 22-jährige Frau hatte ab November 2008 Aida® zur Kontrazeption eingenommen. Begleiterkrankungen lagen nicht vor; sie nahm keine weiteren Medikamente ein. Die junge Frau war Nichtraucherin und leicht übergewichtig. Sie fuhr regelmäßig Rad. Im September 2009 brach die Frau vor ihrer Haustür bewusstlos zusammen. Im Krankenhaus zeigte eine transthorakale Echokardiographie einen großen rechten Ventrikel mit paradoxer Septumkontraktion, so dass von einer fulminanten Lungenembolie als Ursache ausgegangen wurde. Unter einer Notfall-Lysebehandlung gelang eine Kreislaufstabilisierung. Im Verlauf zeigte sich jedoch ein schweres, nicht therapierbares Hirnödem, an dem die Frau starb. Kontaktpersonen teilten mit, dass die Frau in den Wochen vor dem Ereignis über Wadenschmerzen geklagt hatte, die sie auf das Radfahren zurückführte und die ärztlicherseits als Muskelzerrung interpretiert wurden. Venöse thromboembolische Ereignisse (VTE) sind selten. Bei Frauen, die kein hormonales Kontrazeptivum einnehmen, geht man von einer Häufigkeit von fünf bis zehn Fällen pro 100 000 Frauen pro Jahr aus. Zu den Risikofaktoren für VTE bei ansonsten Gesunden zählen unter anderem Adipositas, Immobilisation, Rauchen und die Einnahme von hormonalen Kontrazeptiva. Bei den heute gängigen kombinierten oralen Kontrazeptiva (KOK) mit niedrigem Estrogengehalt (< 50 µg Ethinylestradiol, meistens 20–35 µg) wird das Thromboembolierisiko vom Gestagenanteil beeinflusst. Für die KOK der zweiten Generation mit Levonorgestrel wird eine VTE-Häufigkeit von 20 Fällen pro 100 000 Frauen pro Jahr angegeben, während bei den KOK der dritten Generation mit Gestoden oder Desogestrel eine Häufigkeit von bis zu 40 Fällen pro 100 000 Frauen pro Jahr angenommen wird. Das VTE-Risiko unter KOK mit Drospirenon (Yasmin®, Yasminelle®, Aida®, Yaz®, Petibelle®) wurde von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) auf Grund aktueller Studienergebnisse mehrfach neu bewertet. Zunächst war man davon ausgegangen, dass das VTE-Risiko von Drospirenon dem von Levonorgestrel entspricht. Im letzten Jahr wurde diese Annahme revidiert und das Risiko von Drospirenon zwischen dem der zweiten und der dritten KOK-Generation gesehen. In einer der aktuellen Studien war jedoch eine familiäre Prädisposition und der Body Mass Index nicht berücksichtigt worden. Daher führte die EMA eine Reanalyse der Daten durch und bezog zusätzlich die Ergebnisse von zwei aktuellen Fallkontrollstudien in die Bewertung ein. Im Ergebnis weist die EMA darauf hin, dass das Risiko von thromboembolischen Ereignissen unter allen KOK sehr gering ist. Unter Drospirenon-haltigen KOK ist das Risiko jedoch höher als unter Levonorgestrel-haltigen; es entspricht vermutlich dem von Desogestrel- und Gestoden-haltigen KOK (Pharm. Ztg. Nr. 23 vom 9. Juni 2011, Seite 121). In Deutschland werden Levonorgestrel-haltige KOK mit 89,3 Millionen DDD am häufigsten verordnet. Auch Drospirenon-haltige KOK werden mit 73,7 Millionen DDD sehr häufig verordnet und zeigen unter den Kontrazeptiva als einzige Gruppe eine Zunahme der Verordnungen.
Das Risiko von thromboembolischen Ereignissen soll bei der Auswahl eines Kontrazeptivums aus Sicht der AkdÄ berücksichtigt werden - vor allem, wenn weitere Risikofaktoren vorliegen. In einer Fallkontrollstudie war eine fast fünffache Erhöhung des Thromboembolierisikos unter Drospirenon gegenüber Levonorgestrel in der Gruppe der unter 30-jährigen Frauen auffällig. Daher soll besonders in dieser Altersgruppe bevorzugt ein Levonorgestrel-haltiges Präparat eingesetzt werden, auch wenn häufig die Verordnung Drospirenon-haltiger Präparate Vorteile wie Gewichtsreduktion oder verminderte Akneneigung verspricht. Bei der Verordnung eines hormonalen Kontrazeptivums sollen die Frauen auf das VTE-Risiko und mögliche Warnsymptome wie Schmerzen und Schwellungen in den Beinen hingewiesen werden. Sie sollen auch darüber aufgeklärt werden, dass sich das Risiko für ein thromboembolisches Ereignis durch Rauchen deutlich erhöht. Quellen:
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), Drug Safety Mail: Risiko von venösen Thromboembolien bei Einnahme von Drospirenon-haltigen kombinierten oralen Kontrazeptiva (Yasmin®/Yasminelle®, Aida®, Yaz®, Petibelle®) (www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/Bekanntgaben/Archiv/2011/20111111.html)
PZ 46/11