Statement des Paul-Ehrlich-Instituts zu Impfstoffen gegen die pandemische H1N1-Influenza (Schweinegrippe)
Das Paul-Ehrlich-Institut und das Robert-Koch-Institut haben ein gemeinsames Pressebriefing am 6. August 2009 abgegeben, in dem konkrete Informationen zu diesen neuen Impfstoffen, zur Überprüfung und Bewertung, zur Unterscheidung von saisonalen Impfstoffen sowie zu ihrem Nebenwirkungsprofil gemacht werden. Des Weiteren gehen sie der Fragestellung nach, welche Informationen für schwangere Frauen zur Verfügung stehen, denen diese Impfung nach Einschätzung der WHO und auch vieler nationaler Behörden vorrangig empfohlen wird. AMK-Nachrichtendetail Um eine ausreichende Schutzwirkung gegen ein neues, pandemisches Virus zu erzielen, ist es notwendig zweimal zu impfen, das heißt für Deutschland wäre eine Produktion von 160 Millionen Impfdosen notwendig. Um die Ausbeute zu erhöhen, wurde entschieden, die Antigenmenge pro Impfdosis zu reduzieren. Aus diesem Grund hat man sich entschlossen, für die pandemischen Impfstoffe eine Verstärkersubstanz (Adjuvans) in den Impfstoff aufzunehmen. Die klinischen Studien im Rahmen der Musterzulassungen, die für vier solcher Impfstoffe mit einem H5N1-Virusstamm schon von der EU-Kommission erteilt wurden, haben gezeigt, dass man mit Hilfe dieser Verstärker die Antigenmenge halbieren, teilweise auf ein Viertel reduzieren konnte. Da außerdem pro Impfdosis nur ein Virusstamm eingesetzt wird, nicht drei wie beim saisonalen Impfstoff, ermöglicht dieses Konzept also eine vielfache Ausbeute an Impfstoffdosen. Es hat sich außerdem in diesen klinischen Studien gezeigt, dass durch die Verstärker so genannte Driftvarianten der Viren erkannt werden. Leichte Mutationen, wie Influenzaviren sie immer vornehmen, werden daher von diesen pandemischen Impfstoffen abgedeckt. Die Verfahren für die Musterzulassungen waren reguläre Zulassungsverfahren, keine beschleunigten Verfahren, wie sie für den Fall einer bereits eingetretenen Pandemie vorgesehen sind. Die Zulassung und Anwendung von Impfstoffen gegen die pandemische Influenza (H1N1) 2009 ("Schweinegrippe") beruht auf der jahrzehntelangen Erfahrung mit saisonalen Grippeimpfstoffen. Da sich jedes Jahr die im Impfstoff enthaltenen Virusstämme ändern, erfolgt jährlich eine Stammanpassung. Mit den Impfstoffen, die eine Musterzulassung erhalten haben, wird nun ähnlich verfahren, das bedeutet, dass der bei der Musterzulassung enthaltene H5N1-Virusstamm gegen den pandemischen H1N1v-Stamm ausgetauscht wird. Die WHO Global Influenza Surveillance Network hat Bezeichnungen festgelegt, um das saisonale A(H1N1)-Virus vom pandemischen A(H1N1)v-Virus abzugrenzen: Die Erkrankung wird als pandemische (H1N1) 2009 Influenza bezeichnet, da der Begriff "Schweinegrippe" ungenau und verwirrend ist. Als Kurzbezeichnung wird Influenza A(H1N1)v verwendet, wobei das v Variante bedeutet. Bei der jährlichen AMK-NachrichtendetailStammanpassung konnte nicht beobachtet werden, dass sich Art und Menge der Nebenwirkungen von Grippeimpfstoffen prinzipiell geändert haben. Für den Zeitraum 2001 bis 2008 wurden unerwünschte Impfreaktionen wie Fieber, Kopfschmerzen, Schmerzen an der Impfstelle (Lokalreaktionen), Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen, Parästhesie (Jucken, Kribbeln, Schwellungsgefühle), Schüttelfrost, Husten, Übelkeit, leichte Erkältungssymptome registriert. Eine Änderung des Nebenwirkungsprofils bei den pandemischen Impfstoffen gegen die Schweinegrippe wird nicht erwartet. Die Anpassung der Musterimpfstoffe von H5N1 auf H1N1 bleibt innerhalb eines auch im saisonalen Impfstoff enthaltenen Virussubtyps, wenn auch der Unterschied größer ist als üblicherweise. Bei allen zugelassenen Musterimpfstoffen wird derzeit der neue Virusstamm entsprechend dem genehmigten Herstellverfahren produziert. Sobald nachgewiesen ist, dass auch mit diesem Stamm ein Impfstoff mit gleichbleibender Qualität hergestellt werden kann, erfolgt die Genehmigung der Stammanpassung für diese Impfstoffe. Darüber hinaus werden klinische Studien zur Überprüfung der Wirksamkeit auch mit den ausgetauschten Virusstämmen durchgeführt. Bei den saisonalen Impfstoffen beläuft sich die Probandenanzahl auf etwa hundert, für die pandemischen Impfstoffe werden einige hundert Testpersonen untersucht, zu denen auch Kinder und Personen über 60 Jahre zählen. Mit Hilfe dieser Studien soll belegt werden, dass die genehmigte Dosierung für diesen Stamm optimal ist. Dass adjuvantierte Impfstoffe eine höhere Reaktogenität (Nebenwirkung eines Impfstoffes) in Bezug auf die lokale Verträglichkeit im Vergleich zu nicht adjuvantierten Impfstoffen haben, ist unumstößlich, aber es kommt zu keinen lang anhaltenden oder schwerwiegenden Nebenwirkungen. Die vergleichbaren Adjuvanzien der Firma GlaxoSmithKline wurden mit Influenzaimpfstoffen in klinischen Studien an Zehntausenden von Probanden im Alter von 18-93 Jahren und an einer geringen Anzahl von kleinen Kindern untersucht, ebenfalls ohne auffälliges Nebenwirkungsprofil. Theoretisch ist nicht auszuschließen, dass die Kombination der Bestandteile der Schweinegrippeviren mit den eingesetzten Adjuvanzien unerwartete Nebenwirkungen auslöst. Die Erfahrung zeigt, dass solche Nebenwirkungen, wenn überhaupt, sehr selten auftreten und in klinischen Studien, die bei neuen Impfstoffen mehrere zehntausend Probanden umfassen, nicht entdeckt werden können. Eine Erfassung und Bewertung von Nebenwirkungsmeldungen während der Anwendung der "Schweinegrippe-Impfstoffe" ist daher von besonderer Bedeutung. AMK-NachrichtendetailAn dieser Stelle möchten wir die Kolleginnen und Kollegen in der Apotheke darauf hinweisen, dass Sie jederzeit Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) per Berichtsbogen an uns einsenden können. Aus ethischen Gründen werden klinische Studien nicht an schwangeren Frauen durchgeführt. Damit bleibt es zunächst grundsätzlich eine Einzelfallentscheidung, ausgehend vom gesundheitlichen Risiko der Frau, ob sie geimpft werden soll/kann. Die Weltgesundheitsorganisation hat nun empfohlen, Schwangere vorrangig gegen das pandemische H1N1-Virus zu impfen, u. a. da in den Pandemien 1918 und 1957 Schwangere ein höheres Risiko für schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle hatten. Auch bei der aktuellen Pandemie scheinen Schwangere besonders gefährdet zu sein. Auch bei der saisonalen Influenza besteht ein höheres Risiko von Influenza-bedingter Hospitalisierung. Die WHO empfiehlt eine Impfung von gesunden Schwangeren mit saisonalen Grippeimpfstoffen zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft. Diese Impfempfehlung wurde in den USA und Canada übernommen, in Australien werden Schwangere im zweiten und dritten Trimenon geimpft. Für die in den pandemischen Impfstoffen enthaltenen Adjuvanzien (MF59 und AS03) haben sich in Tierversuchen zur Embryotoxikologie keine Hinweise auf Fehlbildungen oder Fehlgeburten ergeben. Den genauen Wortlaut des Statements finden Sie unter http://www.pei.de/cln_109/nn_1509734/DE/infos/presse/presse-briefing-statement.html. PZ 34/09