Statement zur Freigabe von Cannabis zu "Genusszwecken"
Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) hat am 22. Februar 2022 ein Statement zur Freigabe von Cannabis zu "Genusszwecken" veröffentlicht. Der Text wurde für die AMK von Prof. Dr. Burkhard Hinz (Rostock), Prof. Dr. Ulrich Kintscher (Berlin), Prof. Dr. Ulrich Laufs (Leipzig), Dr. André Said (Berlin), Prof. Dr. Dr. Dieter Schrenk (Kaiserslautern), Prof. Dr. Martin Schulz (Berlin) erstellt. Dieses Statement drucken wir hier gerne ab, unter diesem Link geht es zur PDF-Datei der AMK.
"In Politik und Gesellschaft wird derzeit die Einführung der kontrollierten Abgabe von Cannabis in lizenzierten Geschäften an Erwachsene zu "Genusszwecken“ diskutiert. Dadurch soll der Schwarzmarkt eingedämmt, die Produktqualität erhöht (weniger/keine toxischen Verunreinigungen) und der Jugendschutz gestärkt werden. Diese Bestrebungen werden auch von Seiten einiger Ökonomen unterstützt, die steuerliche Mehreinnahmen in Milliardenhöhe vorhersehen. Cannabis wurde bereits vor einigen Jahren in anderen Ländern legalisiert und es wird, trotz schwacher Evidenzlage und fehlendem Indikationskatalog, auch in Deutschland zu Lasten der GKV als Arzneimittel verordnet. Seither verzeichnet die AMK regelhaft Meldungen zu unerwünschten Wirkungen und anderen Risiken zu Cannabis-haltigen Arzneimitteln, die auch auf eine missbräuchliche Anwendung schließen lassen. Neben dem kurzfristigen, berauschenden Gefühl verringert Cannabis die Aufmerksamkeit, schränkt die Psychomotorik ein und induziert Apathie; das Risiko für Arbeits- und Verkehrsunfälle steigt. Zudem kann bei genetischer Vorbelastung schon ein einmaliger Konsum eine Psychose auslösen; das Risiko für psychische Störungen ist ebenfalls erhöht. Als besondere Risikofaktoren wurden u. a. der frühe Beginn des Cannabiskonsums im Jugendalter, intensive Gebrauchsmuster sowie Co-Konsum von Tabak identifiziert. Mit Blick auf die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse sollte jeglicher Cannabisgebrauch im Kindes- und Jugendalter vermieden werden. Insgesamt bestehen Risiken des Gebrauchs von pflanzlichen und synthetischen Cannabinoiden im Bereich der Somatik (u. a. kardiovaskuläre Störungen und Ereignisse, Appetit- / Körpergewichtsregulation), Kognition, Abhängigkeitsentwicklung, psychischen Störungen (z. B. Angststörungen, Depression, Suizidalität, Psychosen) sowie der sozialen Folgen (z. B. Bildungschancen, Verkehrstüchtigkeit). Die Erfahrungen aus den Legalisierungsländern deuten darauf hin, dass die Prävalenz von Cannabiskonsumstörungen zunimmt, u. a. infolge der zu niedrigeren Preisen verfügbaren potenteren synthetischen Cannabinoide. Demnach sind als Folge einer Freigabe vermehrt Notfall- und Suchtbehandlungen, Verkehrsunfälle, Schulabbrüche und Arbeitsunfähigkeit zu befürchten. Die AMK warnt dringend vor den Risiken einer Legalisierung von Cannabis, Cannabisprodukten und synthetischen Cannabinoiden." (AMK. Berlin, 22. Februar 2022)