Abgabe von Chemikalien
Abgabe von Chemikalien
In der Apotheke ist zwischen der Abgabe von Arzneimitteln, die Gefahrstoffe enthalten, und der Abgabe von Chemikalien zu unterscheiden. In einigen Fällen kann der Verwendungszweck ausschlaggebend sein. Zulassungspflichtige Fertigarzneimittel, Defektur- und Rezepturarzneimittel sind von gefahrstoffrechtlichen Vorschriften zur Verpackung und Kennzeichnung ausgenommen.
Wird in der Apotheke eine Chemikalie abgegeben, sind folgende Vorschriften zu beachten:
Verordnung (EU) 2019/1148 über die Vermarktung und Verwendung von Ausgangsstoffen für Explosivstoffe
Vorschriften zur Grundstoffüberwachung
Chemikalienverbotsverordnung
Am 27. Januar 2017 ist die Verordnung zur Neuregelung nationaler Vorschriften über das Inverkehrbringen und die Abgabe von Chemikalien in Kraft getreten (zum Verordnungstext).
Die in der Chemikalienverbotsverordnung (ChemVerbotsV) geregelten Abgabevorschriften wurden an die Kennzeichnungsvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung) angepasst.
Für die Apotheken sind insbesondere folgende Regelungen zu beachten:
Sachkundenachweis für die Abgabe
Apotheker und Angehörige des pharmazeutischen Personals (Apotheker, Apothekerassistent, Pharmazieingenieur, PTA, Apothekenassistent) sind aufgrund ihrer Ausbildung umfassend sachkundig gemäß § 11 Abs. 1 ChemVerbotsV, müssen jedoch entsprechend der Neuregelung den Nachweis der Sachkunde regelmäßig erneuern, entweder
- nach einer halbtätigen Fortbildung (4 Stunden) durch eine erneute Fortbildung nach 3 Jahren
- nach einer eintägige Fortbildung (8 Stunden) durch eine erneute Fortbildung nach 6 Jahren
Apotheker und Angehörige des pharmazeutischen Personals haben mit ihrer Ausbildung die umfassende Sachkunde erworben, die neben dem Chemikalienrecht auch das Pflanzenschutz- und das Biozidrecht umfasst. Die erworbene Sachkunde kann nur aufrecht erhalten werden, wenn eine der Art der Sachkunde mindestens entsprechende Fortbildungsveranstaltung besucht wird.
Dieser Nachweis ist ab dem 1. Juni 2019 vom pharmazeutischen Personal mit einer Qualifikation, die mehr als 6 Jahre zurückliegt, zu erbringen, wenn die- oder derjenige in der Apotheke Chemikalien abgibt, die unter die Anlage 2 der Chemikalienverbotsverordnung fallen. Dazu gehören beispielsweise Gifte (gekennzeichnet mit GHS06), CMR-Stoffe Kat. 1A/1B, brandfördernde Stoffe (GHS03) und bestimmte entzündbare oder explosive Stoffe.
Der Sachkundenachweis ist z. B. für die Abgabe von Methanol (GHS06), Diethylether (H224), Kalium- oder Natriumnitrat (GHS03), Kaliumpermanganat (GHS03) und Wasserstoffperoxid >=50% (GHS03) ab 01.06.2019 erforderlich. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Chemikalie an einen beruflichen oder privaten Verwender abgegeben wird. Viele Stoffe und Gemische, wie Ethanol, Ammoniaklösung, verschiedene Säuren und Wasserstoffperoxid bis 12%, dürfen jedoch auch in Zukunft ohne Sachkundenachweis abgegeben werden.
Die Sachkunde verfällt nicht, sondern kann jederzeit durch den Besuch einer Fortbildungsveranstaltung wieder erworben werden. Wird die Sachkunde also nicht rechtzeitig erneuert, ist trotzdem keine erneute Sachkundeprüfung sondern lediglich der Besuch einer Fortbildungsveranstaltung erforderlich. In der Zwischenzeit ist jedoch die Angabe von Stoffen und Gemischen, die unter die Anlage 2 ChemverbotsV fallen, verboten.
Die Dokumente zur Abgabe von Chemikalien an private Verwender und an Wiederverkäufer, berufsmäßige Verwender und öffentliche Forschungs-, Untersuchungs- und Lehranstalten (siehe Downloads am Ende der Seite) wurden entsprechend aktualisiert. Die Fußnote 13 gibt einen Hinweis darauf, dass der Abgebende bei dieser Chemikalie die nötige Sachkunde besitzen muss.
Mitteilungspflichten bei gefährlichen Gemische und Bioziden / Erstellen von UFI-Codes
Stellt die Apotheke Gemische (auch wässrige Verdünnungen) mit gefährlichen Eigenschaften oder Biozide selbst her oder füllt diese in kleinere Gebinde ab, besteht eine Mitteilungspflicht beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Das BfR leitet die Produktinformationen an alle deutschen Giftinformationszentren der Länder weiter. Diese Informationen sind dort erforderlich, um im Vergiftungsfall das Gemisch schnell identifizieren zu können.
Seit 01.01.2021 ist zusätzlich zu den bisher mitzuteilenden Daten und Informationen über das gefährliche Gemisch oder Biozid ein eindeutiger Produktidentifikator (UFI-Code) mitzuteilen. UFI steht für Unique Formula Identifier und ist ein 16-stelliger Code, der auf dem Etikett eines Gemisches anzugeben ist, um eine eindeutige Verbindung zwischen dem in Verkehr gebrachten Gemisch und den zur Beantwortung von Anfragen in medizinischen Notfällen bereitgestellten Informationen herzustellen.
Für die Herstellung/Verdünnung chemischer Gemische oder Biozide zur rein innerbetrieblichen Anwendung, z. B. als Prüfreagenz oder Laufmittel, sowie für Rezepturarzneimittel und In-vitro-Diagnostika besteht keine Mitteilungspflicht an das BfR.
Weitere Informationen finden Sie hier.
Abgabe von Wasserstoffperoxid-Lösung
In der neuen ChemVerbotsV finden sich keine Regelungen zur Abgabe von Wasserstoffperoxid-Lösungen. Damit gelten für die Abgabe dieser Chemikalie an private Endverbraucher die Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 98/2013, wonach das Inverkehrbringen von Wasserstoffperoxid-Lösung über 12 Prozent und auch von Gemischen, die mehr als 12 Prozent Wasserstoffperoxid enthalten, verboten ist. Hintergrund dieser Verschärfung ist die missbräuchliche Verwendung von Wasserstoffperoxid für die Herstellung von Triaceton-triperoxid (TATP), einem Sprengstoff, der in der Terrorszene Verwendung findet.
Die Abgabe von Wasserstoffperoxid-Lösungen über 12 Prozent an berufliche Verwender ist zulässig, sofern die berufliche oder gewerbliche Verwendung im jeweiligen Einzelfall plausibel gemacht werden kann. Spezielle Regelungen über den Nachweis der beruflichen oder gewerblichen Verwendung bestehen dabei nicht. Nach Auskunft des Bundesministeriums des Innern kann das Bleichen von Geweihen eine berufliche Tätigkeit im Rahmen des Jägerberufs sein, wenn der Jäger diese Tätigkeit für den Dienstherren ausführt. Die meisten privat tätigen Jäger besitzen jedoch keinen Gewerbeschein, so dass ihnen nur noch Wasserstoffperoxidlösung in einer Konzentration bis 12 Prozent für diese Zwecke zur Verfügung steht. Dies reicht jedoch nach Expertenmeinung völlig aus (siehe nachfolgender Text).
Bleichen von Geweihen und Gehörnen
Bisher haben Jäger in öffentlichen Apotheken Wasserstoffperoxidlösung zum Bleichen von Geweihen und Gehörnen üblicherweise in einer Konzentration von 30 Prozent nachgefragt. Dies ist jedoch nach Auskuft des Veterinäranatomischen Instituts der Universität Leipzig für den gewünschten Zweck nicht erforderlich.
Hoch konzentrierte Wasserstoffperoxidlösung schädigt den Knochen, so dass er kreidig wird. Außerdem ist es ein Irrglaube, dass eine hochkonzentrierte Lösung den Knochen entfetten würde. Im Veterinäranatomischen Institut der Universität Leipzig wird deshalb für das Bleichen von Knochen Wasserstoffperoxid in 3-5 %iger handwarmer bis kalter Lösung verwendet. Die gebrauchsfertige Lösung kann zwei- bis dreimal verwendet werden. Ob diese noch eine oxidierende Wirkung besitzt, erkennt man an einer Bläschenbildung in Metall- oder Aluminiumgefäßen bzw. Schöpfkellen. Der Knochen des Gehörns kann auch in flüssigkeitsgetränkter Watte bis zu den Rosettenstielen eingepackt werden, so dass der Flüssigkeitsstand im Gefäß nicht bis zu den Rosetten reichen muss. Dies ist ohnehin zu vermeiden, da die Rosetten dann auch an den Unterseiten entfärbt werden. Als Literaturquelle für diese Aussagen und für alle Jäger, die nachlesen wollten, hier noch zwei Standardwerke:
- Kellermann Kurt: Trophäen- und Tierpräparationen. Jahr-Verlag & Co, Hamburg.
- Rudolf Piechocki: Makroskopische Präparationstechnik. Teil 1: Wirbeltiere: Leitfaden für das Sammeln, Präparieren und Konservieren. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart
Quelle: Information von Dr. Ilka Emmerich, VETIDATA, Institut für Pharmakologie, Pharmazie und Toxikologie, Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig vom 3. Mai 2017
Abgabe von CMR-Stoffen und CMR-Verdachtsstoffen
Anlage 2, Eintrag 1 ChemVerbotsV regelt unter anderem die Abgabe von CMR-Stoffen Kat. 1A und 1B auch an private Anwender. Hier ist jedoch zu beachten, dass - wie bisher - ein grundsätzliches Abgabeverbot von krebserzeugenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Stoffen der Kat. 1A und 1B (H340, H350, H350i, H360, H360F, H360D, H360FD, H360Fd, H360Df) besteht. Dieses Verbot ergibt sich aus § 3 Abs. 1 ChemVerbotsV und umfasst Stoffe, die in Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 REACH aufgelistet sind (siehe dort Nr. 28, 29, 30). Dagegen gibt es in der neuen ChemVerbotsV keine Regelungen zur Abgabe von CMR-Verdachtsstoffen (H341, H351, H361+ Buchstaben).
Übersicht der Vorschriften für die Abgabe an private Endverbraucher sowie an berufliche Verwender finden Sie in der Download-Liste am Ende der Seite.
Gefahrstoffverordnung
Gemäß § 4 GefStoffV vom 15. November 2016 hat die Apotheke gefährliche Stoffe und Zubereitungen entsprechend zu kennzeichnen, bevor sie in Verkehr gebracht werden. Die Kennzeichnung richtet sich nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen.
Informationen über die Einstufung und Kennzeichnung sind dem Sicherheitsdatenblatt des Herstellers zu entnehmen (siehe Links zu den Herstellern).
Unabhängig von den Vorschriften der CLP-Verordnung sind Name, Anschrift und Telefonnummer der Apotheke, die Menge des Inhalts und die EG-Nummer auf dem Etikett anzugeben.
Zu den Kennzeichnungselementen nach GHS kommen sie hier.
Bei der Abgabe von Zubereitungen/Gemischen, die nach den alten Regelungen als giftig (T), sehr giftig (T+) oder ätzend (C) eingestuft sind, war bisher eine schriftliche Gebrauchsanweisung mitzugeben. Diese Regelung findet sich in der EG-CLP-Verordnung nicht wieder und ist auch in der Gefahrstoffverordnung weggefallen.
Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung)
Diese Verordnung regelt die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen und Gemischen. Zu den Kennzeichnungselementen kommen Sie hier.
Neben den Vorgaben zur Einstufung und Kennzeichnung enthält diese Richtlinie Regelungen zur besonderen Kennzeichnung und Verpackung. Dazu gehören:
- tastbare Gefahrenhinweise,
- kindergesicherte Verschlüsse,
- vereinfachte Kennzeichnung kleiner Gefäße bis einschließlich 125 ml
Die Vorschriften gelten für eine Vielzahl von Gefahrenkategorien. Eine Übersicht zur Verwendung des tastbaren Gefahrenhinweises und des kindergesicherten Verschlusses finden Sie hier oder am Ende dieser Seite. Eine Übersicht zur reduzierten Kennzeichnung kleiner Gefäße bis 125 ml finden Sie hier oder am Ende dieser Seite.