E-Rezept und Patienten-App
Zu den wichtigsten Anwendungen in der Telematik-Infrastruktur (TI) gehört das elektronische Rezept (E-Rezept). Es löst nach und nach das rosa Papierrezept („Muster 16“) ab, das als ärztliche Verordnung eines apothekenpflichtigen Arzneimittels den Rechtsstatus einer Urkunde hat. Die Fälschung eines Rezepts ist daher ein Straftatbestand. Darüber hinaus dient das rosa Rezept als Abrechnungsschein der Apotheke gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen.
Die Apothekerschaft unterstützt das E-Rezept als Pflichtanwendung in der TI und gestaltet dessen Einführung seit Jahren aktiv mit. Als Gesellschafter der Gematik war und ist der Deutsche Apothekerverband (DAV) an der Planung, Einführung und Durchsetzung des E-Rezepts unmittelbar beteiligt.
Neben höchsten Datenschutzanforderungen kommt es der Apothekerschaft auf weitere Bedingungen an, die erfüllt sein müssen, um die Akzeptanz für das E-Rezept nachhaltig zu gewährleisten: Der Patient muss jederzeit und überall Herr seiner Daten bleiben. Für ihn muss auch weiterhin eine freie Apothekenwahl ohne Beeinflussung bestehen – auch das Nichteinlösen seines E-Rezepts muss eine Entscheidungsoption sein dürfen. Die unzulässige Zuweisung und das Makeln von E-Rezepten und den dafür notwendigen Zugangsschlüsseln (E-Rezept-Token) muss ausgeschlossen sein. Zudem muss die technische Umsetzung des E-Rezepts über die TI erfolgen.
Jeder Patient sollte sein E-Rezept möglichst einfach handhaben – also anschauen und an eine Apotheke seiner Wahl weitergeben – können. Die Übergabe des E-Rezepts muss auch ohne physische Präsenz des Patienten und seiner elektronischen Gesundheitskarte (eGK) in der Apotheke möglich sein.
Nach Änderungen durch das Mitte 2019 beschlossene „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV)“ forderte § 291a Abs. 5d SGB V: „Bis zum 30. Juni 2020 hat die Gesellschaft für Telematik die Maßnahmen durchzuführen, die erforderlich sind, damit ärztliche Verordnungen für apothekenpflichtige Arzneimittel in elektronischer Form übermittelt werden können.“ Darüber wurde in §129 Abs. 4a SGB V festgelegt, dass binnen einer Frist von weiteren sieben Monaten nach Inkrafttreten des GSAV „die notwendigen Regelungen für die Verwendung von Verschreibungen in elektronischer Form“ im Rahmenvertrag zwischen DAV und Spitzenverband der Krankenkassen zu treffen sind. Mit der Verabschiedung des Patientendatenschutzgesetzes (PDSG) Anfang Juli 2020 wurde die verbindliche flächendeckende Einführung des E-Rezepts für den 1. Januar 2022 terminiert. Zugleich legte das PDSG den 1. Juli 2021 als offiziellen Starttermin für das E-Rezept fest, zu dem die Gematik eine bundeseinheitliche E-Rezept-App vorlegen musste.
Gemeinsam mit dem Berliner Apothekerverein (BAV) verfolgte der DAV innerhalb eines Modellprojekts in der „Zukunftsregion Digitale Gesundheit (ZDG)“ in Berlin und Brandenburg bis zum 30. Juni 2021 das Ziel, erste Erfahrungen für den Umgang mit dem E-Rezept zu sammeln und auszuwerten. Auf der Basis dieses Projekts startete am 1. Juli 2021 eine Testphase des E-Rezepts in der Fokusregion Berlin-Brandenburg mit 120 Apotheken und 50 Ärzten. Diese Testphase wurde auf Beschluss der Gematik Gesellschafterversammlung im Dezember 2021 bundesweit geöffnet. Das Bundesgesundheitsministerium hat einen Monat später die Verlängerung in das Jahr 2022 hinein verfügt, um ausreichende und belastbare Erfahrungen von der Ausstellung des E-Rezepts in der Arztpraxis bis hin zur Abrechnung des E-Rezepts mit der Krankenkasse zu sammeln. Die Erfahrungen daraus sollen einfließen, wenn das E-Rezept im Laufe des Jahres 2022 schrittweise bundesweit als Pflichtanwendung ausgerollt wird.
Im Laufe des Jahres 2022 wurden mehrere Qualitätskriterien für den bundesweiten Roll-out des E-Rezeptes erreicht, die die Gematik-Gesellschafterversammlung zuvor festgelegt hatte. Als erstes Qualitätsziel wurde im Juli die Marke von 30.000 abgerechneten E-Rezepten erreicht. In den Regionen Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein sollte das neue Verordnungssystem intensiv und in größerem Rahmen getestet werden. Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein zog sich jedoch aus dem Roll-out zurück. Im August 2022 beschloss die Gesellschafterversammlung der Gematik, dass die elektronische Gesundheitskarte (eGK) als neuer Einlöseweg für das E-Rezept hinzukommen soll. Durch ein sehr komplexes Identifizierungsverfahren konnte die Smartphone-App der Gematik als Übertragungsweg noch nicht flächendeckend genutzt werden, somit blieben die Ausdrucke der DataMatrix-Codes der einzig massentaugliche Einlöseweg. Mit der eGK sollte sich dies ändern.
Der 1. September 2022 wurde dann zu einem wichtigen Datum für die Apotheken: Seit diesem Tag müssen die Apotheken sicherstellen, dass sie technisch dazu in der Lage sind, E-Rezepte beliefern zu können. Währenddessen ergab sich eine Datenschutz-Debatte rund um die geplante eGK-Funktion beim E-Rezept, die eine schnelle Umsetzung des neuen Verfahrens verhinderte. Im November verkündete die Gematik, dass zur datenschutzsicheren Umsetzung des eGK-Verfahrens noch Aktualisierungen nötig seien, sodass sich der Start auf den Sommer 2023 verschob. Trotzdem stieg die Zahl der über das neue System ausgestellten Verordnungen stetig – im Januar 2023 wurde Millionen-Marke geknackt.
Das Bundesministerium für Gesundheit hatte im Jahr 2023 ein »Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens« (Digital-Gesetz / DigiG) vorgelegt, mit dem alle Arztpraxen verpflichtet wurden, seit dem 1. Januar 2024 nur noch E-Rezepte für verschreibungspflichtige Arzneimittel bei gesetzlich Krankenversicherten auszustellen. Der Bundestag beschloss das Gesetz am 14. Dezember 2023. Zum schnellen, sicheren und komfortablen Einlösen von E-Rezepten war bereits Mitte 2023 die elektronische Gesundheitskarte (eGK) als dritter Weg für Patientinnen und Patienten zugelassen worden – neben der E-Rezept-App der Gematik und dem Ausdruck des E-Rezept-Tokens. Auf den Ausdruck aus ihrer Arztpraxis haben alle gesetzlich Krankenversicherten sogar einen rechtlichen Anspruch.