Das sind die Forderungen der Apothekerschaft

Die Apotheken in Deutschland stehen unter Druck. Nach der Coronavirus-Pandemie haben die Apotheken mit der Lieferengpass-Krise, dem Personalmangel, der überbordenden Bürokratie und einer seit Jahren andauernden Unterfinanzierung zu kämpfen. Seit dem Jahresbeginn erklären die Apothekenteams ihren Patientinnen und Patienten zudem das neue E-Rezept-System, das mehr als holprig gestartet ist – schließlich kam es in den ersten Monaten zu zahlreichen Systemausfällen. Die Apothekenteams setzen sich Tag für Tag unermüdlich für das Wohl Ihrer Patientinnen und Patienten ein – sie halten Rücksprache mit Arztpraxen, suchen händeringend nach Alternativpräparaten, versorgen nachts und am Wochenende und beliefern via Botendienst.

In dieser ohnehin angespannten Phase hat das Bundesgesundheitsministerium nun einen Entwurf für eine Apothekenreform vorgelegt, der nicht nur die Abschaffung der vollversorgenden Apotheke nach sich ziehen würde. Folgt man den Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, wird es auch in der Versorgung der Bevölkerung zu extremen Leistungskürzungen und Qualitätseinbußen kommen. Denn der Minister will dafür sorgen, dass in den Apotheken nicht mehr jederzeit eine Apothekerin oder ein Apotheker anwesend sein müsste. Leistungen wie die Abgabe von starken Schmerzmitteln (Betäubungsmittel), das Herstellen von Arzneimitteln (z.B. Salben) in der Apotheke, Medikationsanalysen oder auch Impfungen dürfen nur von Apothekerinnen und Apothekern erbracht werden – genau diese Leistungen würden nach der Reform von Herrn Lauterbach dann wegfallen.

BMG-Reform leitet gefährlichen Systemwechsel ein

Durch die geplanten Maßnahmen wird auch ein Systemwechsel in der Versorgung eingeleitet. Die damit systematisch veränderte Qualität der Abgabe von Arzneimitteln würde auf einem deutlich niedrigeren Niveau etabliert. Das bestehende System der Arzneimittelversorgung durch die heilberuflich geführten Apotheken ist bis heute ein Garant für patientennahe hohe Versorgungssicherheit. Mit diesem Gesetz wird eine Kommerzialisierung der Versorgung betrieben, die das Bundesgesundheitsministerium in anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung nach negativen Erfahrungen ausdrücklich bekämpfen will. Es bleibt festzustellen, dass durch das geplante Apothekenreformgesetz tatsächliche Gefahren für die Patientensicherheit entstehen.

Konkret plant das Ministerium, dass Apotheken künftig auch in Abwesenheit von Apothekerinnen und Apothekern betrieben werden können, wenn ein Approbierter / eine Approbierte per Video zugeschaltet werden kann. Es soll ausreichen, wenn sich ein für die jeweilige Apotheke verantwortlicher Apotheker oder eine Apothekerin mindestens acht Stunden pro Woche in der jeweiligen Apotheke aufhält. In der restlichen Zeit dürfen Pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Pharmazeutisch-technische Assistenten die Patientinnen und Patienten allein bedienen.

Trivialisierung der Versorgung ist die Folge

Ohne dauerhafte Präsenz einer Apothekerin oder eines Apothekers sind deren Kontrollfunktionen und Beratungsleistungen in der Praxis nicht mehr realisierbar. Daran ändert auch die vorgeschriebene bloße Möglichkeit (!) einer Kontaktaufnahme per Videoschaltung nichts. Die Arzneimittelversorgung wird trivialisiert und zu einem bloßen Handel ohne Verknüpfung mit einer qualifizierten pharmazeutischen Beratung gemacht. Unter dem Strich steht eine massive Patientengefährdung, weil der eigentliche Beratungsbedarf von Patientinnen und Patienten in vielen Fällen nicht erkannt werden kann.


Durch die oben genannten Leistungskürzungen wird die Gesundheit der Menschen leiden. Bestes Beispiel dafür sind die Impfungen: So wurden beispielsweise im Jahr 2023 in den Apotheken rund 100.000 Grippeimpfungen und rund 135.000 Covid-19-Impfungen durchgeführt. An der Immunisierung der Bevölkerung gegen diese Krankheiten haben die Apotheken somit einen entscheidenden Anteil. Die von Herrn Lauterbach geplante apothekerlose Apotheke wird allerdings dazu führen, dass die erst kürzlich eingeführten Apotheken-Impfungen wieder drastisch zurückgehen.

40.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel

Die Pläne sind aber auch aus sozialpolitischer Sicht extrem gefährlich: Durch die Pläne wird der Wegfall einer Vielzahl von hoch qualifizierten Arbeitsplätzen provoziert, weil die Inhaberinnen und Inhaber sich dem Wettbewerbsdruck stellen und Apothekerinnen und Apotheker durch anderes Personal ersetzen müssten. In Deutschlands Apotheken arbeiten rund 40.000 angestellte Apothekerinnen und Apotheker, deren Arbeitsplätze so gefährdet werden. Das Ministerium missachtet den Wert der Tätigkeit dieser Berufsgruppe.

Hinzukommt, dass diese Reform der erste gefährliche Schritt in weitere liberalisierende Maßnahmen darstellt, mit denen die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dann gänzlich aufs Spiel gesetzt wird. Statt der persönlichen Beratung vor Ort werden die Patientinnen und Patienten im Versorgungsbild des Ministeriums von Automaten versorgt, die aus der Ferne gesteuert werden. Die mittelständische Struktur der Apotheken samt ihrer 160.000 Arbeitsplätze geht verloren.

Bis zur Aufhebung des Fremdbesitzverbotes ist es dann nur noch ein kleiner Schritt: Große, international agierende Konzerne werden die Versorgung zukünftig steuern. Für diese Konzerne ist die einzig wichtige Maxime die Gewinnoptimierung und der Stakeholder Value, nicht das Patientenwohl. Die neutrale, unabhängige Versorgung durch unabhängige und freie Heilberufe vor Ort findet dann nicht mehr statt.

Mit einem verfassungsrechtlichen Gutachten konnte die ABDA Ende April 2024 auf dem DAV-Wirtschaftsforum in Potsdam zudem nachweisen, dass die Pläne zu einer apothekerlosen Apotheke auch verfassungsrechtlich bedenklich sind.

Konstruktive Gegenvorschläge

Als Gegenentwurf gegen diese versorgungsfeindlichen Pläne hat die ABDA in den vergangenen Monaten zahlreiche Vorschläge vorgelegt, die die Arzneimittelversorgung wieder stabilisieren. Die Apotheken müssen dazu endlich wirtschaftlich stabilisiert werden. Anstatt die pharmazeutischen Kompetenzen der Apothekerinnen und Apotheker gänzlich zu streichen, sollte die Politik die Expertise der approbierten Fachkräfte stärker in die Versorgung einbringen und den Apotheken ein leichteres Arbeiten durch eine Entbürokratisierung ermöglichen.

Ein Blick auf den demographischen Wandel zeigt, dass die alternde Bevölkerung in den kommenden Jahren einen stetig steigenden Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen haben wird. Dafür brauchen die Menschen mehr denn je die Kompetenzen der Apothekerinnen und Apotheker, sie müssen noch stärker in die Versorgung eingebunden werden. Studien zeigen zum Beispiel, dass die Einnahmetreue bei bis zu 50 Prozent aller Arzneimitteltherapien nicht gegeben ist. Die Folgen sind Medikationsfehler, Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen, unerwartete Nebenwirkungen und somit Klinikeinweisungen und Arztbesuche. All das erzeugt zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe. Im Arzneimittelprojekt ARMIN hat die Apothekerschaft gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten bewiesen, dass bei einer engen Zusammenarbeit der Heilberufe in der Arzneimitteltherapie die Sterblichkeit sinkt.

Mehr Entscheidungskompetenzen der Apothekerinnen und Apotheker, insbesondere bei Lieferproblemen, Anspruch der Patienten auf interprofessionelles Medikationsmanagement nach ARMIN, mehr Telepharmazie aus der Apotheke zum Patienten, assistierte Telemedizin, Erweiterung der pharmazeutischen und präventiven Dienstleistungen, mehr Möglichkeiten der Primärversorgung in der Apotheke: das sind nur einige Themen, die auf dem derzeit bestehenden Versorgungssystem der heilberuflich geführten Apotheken aufbauen.

Damit die Apotheken diese Aufgaben aber auch in Zukunft flächendeckend übernehmen können, müssen sie wirtschaftlich stabilisiert werden. Denn klar ist: Alle Apotheken stehen unter einem massiven, wirtschaftlichen Druck. Das Apothekenhonorar wurde zuletzt 2013 um 3 Prozent angepasst, zuletzt wurde es von der Ampel-Koalition sogar für die Dauer von zwei Jahren wieder abgesenkt. Die Apotheken befinden sich somit auf dem Honorarniveau von 2004. Im gleichen Zeitraum sind die Kosten der Apotheken um mehr als 60 Prozent explodiert, die Inflation ist um knapp 30 Prozent angestiegen. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass einerseits immer mehr Apotheken aus wirtschaftlichen Gründen schließen müssen. Andererseits werden Neugründungen für junge Apothekerinnen und Apotheker immer unattraktiver – im vergangenen Jahr gab es lediglich 62 neugegründete Apotheken. Statt einer kostenneutralen Eins-zu-Eins-Umverteilung des Honorars benötigen die Apotheken eine nachhaltige, finanzielle Stabilisierung des gesamten Systems.

Hinzu kommt, dass schon der Ansatz des Ministeriums fehlgeleitet ist. Denn nicht nur die vom Ministerium angesprochen „Apotheken in der Fläche“, also die Apotheken in ländlichen Regionen, leiden unter dem wirtschaftlichen Druck. Ganz im Gegenteil: Die nahversorgenden Kiezapotheken waren von der Schließungswelle der vergangenen Jahre sogar besonders schwer betroffen. Beispielsweise liegt die Apothekenzahl je 100.000 Einwohner in Berlin mit 19 deutlich unter dem Bundesdurchschnitt, im Berliner Bezirk Lichtenberg liegt die Apothekendichte sogar nur bei 14.

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ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hat ihre Ablehnung des Entwurfs zur Apothekenreform unterstrichen. In einer Videobotschaft richtet sie sich an die Apothekenteams in Deutschland und erklärt, welche Maßnahmen in der politischen Kommunikation geplant sind.

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