Lieferengpässe
Immer wieder kommt es vor, dass Großhändler bzw. Hersteller einzelne Arzneimittel kurzfristig nicht zur Verfügung stellen können. Man spricht dann von einem Lieferengpass. Ist ein bestimmtes Medikament eines bestimmten Herstellers nicht lieferbar, kann es zum Glück oft durch ein wirkstoffgleiches Präparat eines anderen Herstellers ersetzt werden, ohne dass die Arzneimitteltherapie des Patienten beeinträchtigt wird. Gibt es allerdings keine gleichwertigen Alternativen und kann der Patient nicht angemessen versorgt werden, wird aus dem Lieferengpass ein Versorgungsengpass.
Lieferengpässe gehören in Deutschland leider schon seit einigen Jahren zum Alltag. Die Ursachen dafür sind vielschichtig und liegen unter anderem in den Strukturen der stark globalisierten und spezialisierten Arzneimittelherstellung. Für manche Wirkstoffe gibt es nur noch wenige Hersteller weltweit. Produktionsausfälle oder Qualitätsprobleme in einer einzelnen Anlage können dann bereits ausreichen, die Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten in Europa zu gefährden. Eine Umfrage der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) im Jahr 2017 hat ergeben, dass 90 Prozent der Apotheken in einem Zeitraum von drei Monaten Engpässe mit potentiellen Gesundheitsfolgen für Patienten zu verzeichnen hatten.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) pflegt kontinuierlich eine Lieferengpassliste für wichtige Arzneimittel. Es definiert Lieferengpässe dabei als „eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann“. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) unterhält eine Liste für Impfstoffe. Das BfArM hat einen regelmäßig tagenden Beirat nach § 52b Absatz 3b AMG zu Liefer- und Versorgungsengpässen eingerichtet, zu dessen Teilnehmerkreis auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) gehört.
Das Management von Lieferengpässen ist für Apotheken mit erheblichem Aufwand verbunden. Sie arbeiten täglich daran, dass aus Lieferengpässen bei einzelnen Medikamenten keine Versorgungsengpässe für ganze Patientengruppen entstehen. Wenn ein bestimmtes Präparat nicht verfügbar ist, muss der Apotheker ein wirkstoffgleiches Medikament beschaffen oder mit dem Arzt wegen eines neuen Rezeptes für einen anderen Wirkstoff in Kontakt treten. Schließlich soll und darf kein Patient unversorgt bleiben. Dafür muss die Politik den Apotheken allerdings auch die nötigen Handlungsfreiheiten einräumen. Unter anderem diese Forderung hat die Standesvertretung der Apotheker in einem 10-Punkte-Forderungskatalog aufgestellt. Wichtig ist auch, dass die Apotheken nicht retaxiert werden, wenn sie aufgrund eines Lieferengpasses ein Präparat austauschen. Für das Management der Arzneimittel-Lieferengpässe benötigen die Apotheken zudem eine ausreichende Vergütung. (Hier finden Sie den Forderungskatalog der ABDA).
Der Kampf gegen Liefer- und Versorgungsengpässe gehört auf nationaler wie internationaler Ebene zu den wichtigsten Zielen der Apothekerschaft. Im Rahmen des Zusammenschlusses der Apotheker in der Europäischen Union (ZAEU) wird mehr Transparenz und Kommunikation von Behörden und Herstellern bei akuten Lieferengpässen gefordert, aber auch mehr langfristige Steuerung und Überwachung von Produktionsprozessen und Lieferketten durch die Regierungen und die Europäische Arzneimittelagentur (EMA).
Weitere Informationen
Lieferengpass-Informationen von BfArM, PEI und EMA | Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
Lieferengpässe von Human-Impfstoffen | Paul-Ehrlich-Institut
Lieferengpässe: DAPI baut Digitalen Zwilling und DAPI M - Nichtlieferbarkeitsmonitor | Deutsches Arzneiprüfungsinstitut e. V. (DAPI)
Arzneimittelengpässe: Gefahr für die Patientensicherheit | Pharmazeutische Zeitung, 29.06.2017
Fritz Becker zu Lieferengpässen: Rabattverträge machen das System fehleranfällig | Deutsche Apotheker Zeitung online, 30.05.2016